
Erfurt, Breuninger, Rolltreppen im Lichthof (Bild: Clemens Peterseim, 2025)
BAUT: Kaufhaus Breuninger
ADRESSE: Junkersand 4, 99084 Erfurt
BAUZEIT: 1993–1997
ARCHITEKT:INNEN: Kammerer + Belz, Kucher und Partner
PREISE: 1998 Thüringer Staatspreis für Architektur und Städtebau, Anerkennung
Seit Jahrzehnten streiten sich die Planer:innen, wo die Zukunft des Einkaufens liegt: beim Ladengeschäft in der City oder bei der Shoppingmall auf der grünen Wiese. In Erfurt wurde 1997 beides möglich – auf einer Grünfläche in bester Innenstadtlage entstand ein gläserner Konsumtempel. Wo sich der Junkersand und die Schlösserstraße treffen, direkt am Ufer des Flüsschens Gera, hatte man 1916 das Kaufhaus Reibstein errichtet. Nachdem der Bau 1944 im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war, lag das Areal in der DDR-Zeit brach. Das baden-württembergische Unternehmen Breuninger kaufte 1992 das Grundstück und konnte hier fünf Jahre später seine neue Filiale eröffnen. Mit einer spätmodernen Formensprache wollte das Architekturbüro „Kammerer + Belz, Kucher und Partner“ harmonisch zu den angrenzenden historischen Wohnbauten überleiten und zugleich an die Warenhaustradition der Jahrhundertwende anknüpfen.

Erfurt, Breuninger, Außenbau zur Ecke Schlösserstraße/Junkersand (Bild: Clemens Peterseim, 2025)
An der Ecke
Wie schon der Vorgänger erhebt sich auch das Breuninger-Kaufhaus als viergeschossiger Bau auf trapezförmiger Grundfläche, um sich zur Straßenecke nochmals zu einer turmartigen Form zu steigern. Wo sich das Reibstein bis 1944 in historistischer Formensprache zeigte, erinnert der Neubau seit 1997 mehr an die sachliche Linie der Klassischen Moderne: Ein gläserner Rundbau wölbt sich zur Kreuzung hin vor, weitet sich mit jedem Geschoss in die Höhe und gipfelt in einer ebenfalls gläsernen, zweigeschossigen Laterne. In ihren drei Obergeschossen sind die seitlichen Straßenfassaden größtenteils mit grauen Werksteinplatten verkleidet, teils durch quadratische Fenster durchbrochen und durch Querstreifen gegliedert. Im Erdgeschoss öffnen sich die säulenähnlichen Rundstützen teils als Gang zum städtischen Umfeld, um die Straßenfassaden in den drei Obergeschossen rhythmisch vertikal zu gliedern. Den Bau durch den Haupteingang im gläsernen Rundbau betretend, wird das Kaufhaus mittig über den kreisrunden Lichthof mit seinen Rolltreppen erschlossen.
Das Stuttgarter Stammhaus des Unternehmens wurde 1881 von Eduard Breuninger eröffnet. Während man hier zunächst vorwiegend Bekleidung führte, erweiterte sich das Sortiment mit den Jahrzehnten zur vollen Palette eines Warenhauses. Zunächst wurden Filialen im süddeutschen Raum eröffnet, doch nach der Wiedervereinigung nahm man auch die (damals) neuen Bundesländer in den Blick. Für den geplanten neuen Standort in der Erfurter Altstadt konnte Breuniger auf eine längere Zusammenarbeit mit dem Büro „Kammerer + Belz, Kucher und Partner“ zurückgreifen. Bis 1989 hatten die Architekten bereits das Stuttgarter Stammhaus modernisiert und erweitert. Hier finden sich bereits prägende Zutaten des späteren Erfurter Entwurfs: eine gläserne Kuppel über einem kreisrunden Lichtschacht sowie ein sich kreisrund in den Stadtraum vorwölbender Glaszylinder. Mit dem Architekturbüro nahm Breuninger nach der Wiedervereinigung so auch ein Stück der eigenen Geschichte und Corporate Identity mit nach Thüringen.

Erfurt, Kaufhaus Reibstein, 1916 errichtet, 1944 im Zweiten Weltkrieg zerstört, Außenbau zur Straße (links) und Erfrischungsraum (Bilder: historische Postkarten)
Ein Büro aus Stuttgart
Hans Kammerer wurde am 25. Februar 1922 in Frankfurt am Main geboren. Er studierte an der Technischen Hochschule Stuttgart und wirkte dort in der Lehre von den 1950er bis in die 1980er Jahre, ab 1965 als Professor. Ab 1952 arbeitete er als freier Architekt, ab 1955 mit Rolf Gutbier, bevor er sich 1964 mit Walter Belz zum Büro Kammerer + Belz zusammentat. Das Büro firmierte ab 1972 als Kammerer + Belz und Partner, ab 1982 als Kammerer + Belz, Kucher und Partner – und machte damit den Namen des dritten Partners Klaus Kucher (1937–2002) sichtbar, der hier zuvor lange Jahre als Mitarbeiter war. Hans Kammerer verstarb in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 2000 im Alter von 77 Jahren. Der Architekt Walter Belz wurde geboren am 31. Januar 1927 in Stuttgart. Wie sein späterer Büropartner Kammerer studierte er in Stuttgart, übernahm jedoch 1972 eine Professur in Darmstadt. Er verstarb am 6. März 2009 im Alter von 82 Jahren.
Das Büro Kammerer und Belz (und Kucher) reüssierte vor allem durch öffentliche Bauprojekte zwischen einer Moderne im Internationalen Stil und Anklängen an die Postmoderne. In Stuttgart sind zu nennen: das Geno-Hochhaus (1972), die Erweiterung der Volksbank (1972) oder die Calwer Passage (1978). In den Folgejahren kamen z. B. die Karlspassage (1989) oder das Technische Zentrum der Dresdener Bank (1993) hinzu. Damit bildet der spätmoderne Bau des Breuninger-Kaufhauses, der sich stilistisch auf die Warenhausarchitektur des frühen 20. Jahrhunderts rückbezieht, einen Höhepunkt im Spätwerk der drei Partner. Das Büro wird heute als „KBK (Belz, Lutz) Architekten“ weitergeführt.

Erfurt, Breuninger, Umgang mit Rundstützen (links) und Lichthof mit Rolltreppen (Bilder: Clemens Peterseim, 2025)
Langlebig
Der Breuninger-Neubau, der 1998 mit einer Anerkennung beim Thüringer Staatspreis für Architektur und Städtebau bedacht wurde, hat sich nach fast 30 Jahren als fester Bestandteil des Nachwende-Stadtbilds behauptet. Während andere Standorte des baden-württembergischen Unternehmens zwischenzeitlich geschlossen wurden, während man hier stattdessen gerne bestehende Häuser anderer Anbieter ankaufte, konnte die Erfurter Filiale in ihrer ursprünglichen Nutzung überdauern.
Text: Karin Berkemann, April 2025

Erfurt, Breuninger, Grundriss (Erdgeschoss) und Straßenansicht am Junkersand (Bilder: Grundriss und Ansicht)

Erfurt, Breuninger, Straßenfassaden (Bilder: Clemens Peterseim, 2025)

Erfurt, Breuninger, Eingangsbereich unten und oben (Bilder: Clemens Peterseim, 2025)

Erfurt, Breuninger, Lichthof mit Rolltreppen (Bild: Clemens Peterseim, 2025)
Walter Belz (1927-2009). Architekt, Stadtplaner, Lehrer, auf: Karlsruher Institut für Technologie (KIT)/Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai).
Hans Kammerer (1922-2000). Architekt, Stadtplaner, Lehrer, auf: Karlsruher Institut für Technologie (KIT)/Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai).
Große Offenheit. Zum Tod des Stuttgarter Architekten Hans Kammerer, auf: Baunetz, 18. Februar 2000.
Planunterlagen zum Bauvorhaben des Breuninger-Kaufhauses von 1992/93, auf: erfurt.de.
Internet-Auftritt des Büros KBK (Belz, Lutz) Architekten.
Internet-Auftritt des Unternehmens Breuninger.
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