Kloster Volkenroda, Christus-Pavillon, Blick in die Deckenkonstruktion des Christusraums (Bild: Clemens Peterseim, 2021)
BAU: Christus-Pavillon
ADRESSE: Amtshof 3, 99998 Körner-Volkenroda
BAUZEIT: 1999–2000 (Aufbau auf dem Expo-Gelände in Hannover), 2001 (Versetzen in die Klosteranlage Volkenroda)
MITWIRKENDE: Meinhard von Gerkan und Joachim Zais (Architektur); Andreas Felger (künstlerische Ausgestaltung der Kabinette); Hella Santarossa (Glaskunstwerk „Marienmantel“)
Die Grundidee war 1999 ein wiederverwendbarer Pavillon: Auf der Expo 2000 in Hannover sollte er zunächst fünf Monate lang die beiden großen christlichen Konfessionen repräsentieren. Anschließend würde er in das thüringische Kloster Volkenroda integriert, das sich noch im Wiederaufbau befand. Nicht zuletzt zielten die Auftraggeber:innen, darunter finanziell vor allem die Stahlwirtschaft, auf ein medienwirksames Monument der deutschen Stahlindustrie. Vorbild war offenbar das „Monument des Eisens“ (1913) auf der IBA (Internationalen Bauausstellung) Leipzig von Bruno Taut und Franz Hoffmann. Hinzu traten Bezüge (wie kreuzförmige Träger und modularer Aufbau) zum Barcelona Pavillon (1929) eines Mies van der Rohe. Und der damalige hannoversche Landesbischof Horst Hirschler nannte als Ursprungsidee „eine Art christlichen Eiffelturm (…), so eine Art Petersdom für alle Religionen.“ Bis heute erinnert der Christus-Pavillon daran mit seinem umfriedeten Vorhof zum eigentlichen Feierraum, dem sogenannten Christusraum.
Kloster Volkenroda, Christus-Pavillon, der Kubus mit dem ihn umgebenden Kreuzgang (Bild: Mailee, CC BY SA 3.0, 2006)
Eine nachhaltige Konstruktion
Zur Jahrtausendwende beherrschte das Thema Nachhaltigkeit die Architekturdebatte, so auch auf der Expo 2000 mit dem Motto „Mensch, Natur, Technik“. Darüber hinaus sollte der Christus-Pavillon noch wiederverwertbar sein – und ein Gegenbild zur Unterhaltungsarchitektur der Messe bilden. Deshalb erhielt er eine Hülle aus Marmor, die Verbindung eines natürlichen Materials mit innovativer Technik. Mit dem Ende der Weltausstellung wurde der Pavillon abgetragen und im Sommer 2001 in der Klosteranlage Volkenroda wieder zusammengesetzt, wo die „Jesus-Bruderschaft in Gnadenthal und Volkenroda“ seit 1994 den Wiederaufbau des ältesten in Deutschland erhaltenen Zisterzienserklosters betreibt. Hier fand der Kirchenraum mit Kreuzgang eine neue Heimat, während die in Volkenroda nicht verwerteten Elemente (Krypta, Kolonnade, Wasserbecken) durch die deutsche Stahlindustrie nachgenutzt wurden.
Am neuen Standort wird die ehemalige Messekirche heute auch für Konzerte und weltliche Feiern genutzt. Ursprünglich war geplant, den Pavillon in Volkenroda (ohne Kreuzgang) in die dortige Ruine des romanischen Langhauses einzufügen. Als die Denkmalbehörden dagegen Einspruch erhoben, verlagerte man ihn – einem Vorschlag des Architekten Meinhard von Gerkan folgend – nach Süden und umgab ihn mit dem Kreuzgang. Zwischen beiden Bauteilen reihen sich neun kubische Kabinette auf, die der Künstler und langjährige Jesus-Bruder Andreas Felger zu Versen aus dem Matthäus- und Johannesevangelium sowie aus dem Römerbrief gestaltete. Darüber hinaus findet sich im Kreuzgang das Glaskunstwerk „Marienmantel“ von Hella Santarossa.
Volkenroda, Christuspavillon, Detail der Füllung der Kreuzgangfenster (links) und Lichtstimmung im Christusraum (Bilder: Karin Berkemann, 2009)
Einfach im besten Wortsinn
Die im besten Wortsinn einfache Materialität des Christus-Pavillons umfasst Marmor, beschichteten Stahl, Sichtbeton und Glas. Nach dem Entwurf der Hamburger Architekten Meinhard von Gerkan und Joachim Zais (Büro gmp) ruht der freistehende Kubus auf neun kreuzförmigen Stahlstützen und wird umgeben von einem verglasten Kreuzgang mit Vorhof. Im zentralen Christusraum von rund 18 Metern Höhe fällt das Licht über Öffnungen an den Stützenköpfen vertikal in die Tiefe. Zudem sind die 11 Millimeter dicken Glastafeln der einschaligen Raumhülle mit 10 Millimeter dünnen, transluzenten Marmorscheiben beschichtet, die von der griechischen Insel Naxos stammen.
Auf der Expo 2000 wurde der Feierraum oberirdisch durch einen romanischen Christus-Torso aus Köln und in der Krypta durch Ikonen ausgezeichnet. Während diese Bildwerke nicht mit nach Volkenroda wanderten, blieben künstlerische Elemente im fast sieben Meter hohen Kreuzgang erhalten: Die Seitenwände, ausgebildet als zweischaligen Glasfassaden, bergen in ihren Zwischenräumen wie in großen Vitrinen die unterschiedlichsten Objekte aus den Bereichen Natur, Technik, Mensch: von Teesieben über Kassetten und Hölzer bis zu Spritzen und Glühbirnen.
In Hannover wurde die Anlage durch drei große Drehtore an einer der Langseiten erschlossen. Dagegen folgte man in Volkenroda der örtlichen Topografie und verlegte die Tore an die nach Norden weisende Schmalseite. Die Fassade des Christusraums zeigt ein gestecktes und verschraubtes Pfosten-Riegel-System, das einfach (de-)montierbar sein sollte. Der Kreuzgang ist aus Elementrahmen mit Steckverbindungen gefügt. Auch das Dach besteht aus vorgefertigten, ebenfalls leicht demontierbaren, edelstahlgedeckten Elementen. Bemerkenswert an der Konstruktion des Christus-Pavillons ist vor allem der Rüter-Sigma-Knoten, eine Steckverbindung ohne Schrauben oder Schweißen, um die Dachflächen und Stützen miteinander zu verbinden.
Volkenroda, Blick in den Kreuzgang (links) und in den Christusraum (Bilder: Karin Berkemann, 2009)
Lichte Kuben
Sucht man nach vergleichbaren Bauten, ist das 1999 von Volkwin Marg entworfene Berliner Büro- und Geschäftshaus Friedrichstraße 108 zu nennen. Als Nachfolgeprojekt lässt sich die ebenfalls von Meinhard von Gerkan und Joachim Zais gestaltete Kapelle in der Evangelischen Akademie Hofgeismar von 2009 herausgreifen. Nicht zuletzt zeigt sich eine gewisse gedankliche Nähe zum Wiederaufbau der Bibliothek des Erfurter Augustinerklosters, der 2010 vom Weimarer Büro Junk & Reich fertiggestellt wurde.
Die größte Nähe erweist sich bei Gerkans Entwurf (mit Wolfgang Haux und Magdalene Weiß) eines Pavillons für die Philipps Licht AG, der 1999 für die Hannover Messe umgesetzt wurde. Auch hier sollte, so das erklärte Ziel der Architekt:innen, „ein kontemplatives Gegenstück“ zur aufgeregten Messearchitektur entstehen. Der Philipps-Pavillon möge „strukturell einfach und sinnfällig, reduziert auf wenige Materialien und präzise im Detail“ in Erinnerung bleiben. Als modulares Prinzip kam auch hier ein Pfosten-Riegel-System in Stahlbauweise mit biegesteifen Verbindungsknoten zum Einsatz.
Volkenroda, Blick in die modern gefasste Langhausruine (links) und der Christus-Pavillon in der Klosteranlage (Bilder: Karin Berkemann, 2009)
Mitunter luxuriös
So originell der Christus-Pavillon seinerzeit gewirkt haben mag, so klar steht er rückblickend in einer langen Tradition. Bereits im 19. Jahrhundert lebte der Messebau von der Wiederverwendbarkeit – vor allem der Materialien. Auch die Raumdisposition erscheint als leicht abgewandelte Version des 1999 fertiggestellten Philipps-Pavillons. An die Stelle der inszenierten Konsumgüter, der Glühbirnen, trat im Christus-Pavillon die religiöse Andacht. Bemerkenswert ist, wie Gerkan und Zais für die Expo eine sakrale Lichtregie und religiöse Artefakte in die profane Bauaufgabe integrierten. Und spätestens als Erweiterung eines romanischen Klosters bildet das zweitverwendete Messepavillon eine mutige Ergänzung des Bestands. Dabei entpuppt sich die oft gelobte Schlichtheit auf den zweiten Blick, etwa beim applizierten naxischen Marmor, als durchaus luxuriös und technisch aufwändig.
Geschichtlich betrachtet, bildet der ökumenische Christus-Pavillon das bisher größte gemeinsame Projekt der beiden großen christlichen Konfessionen, vertreten durch die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland. Als Zeugnis der jüngeren deutschen Messebaugeschichte steht er exemplarisch für das Nachhaltigkeitskonzept der Expo 2000. In Volkenroda verkörpert er das Lebensraumprojekt der Weltausstellung, in dem das Bundesland Thüringen mit dem „Dorf 2000“ vertreten war. Damit erhält der Christus-Pavillon seine künstlerische Bedeutung als modulare Montagekirche der Millenniumszeit, die internationale Material- und Konstruktionsstandards des Messebaus in eine mittelalterliche Klosterruine integriert.
Text: Clemens Peterseim, Oktober 2024
Auf dem Weg zur Mitte – 10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda, hg. von der Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda e. V./Stiftung Volkenroda, Volkenroda o. J.
Breuel, Birgit, Das EXPO-Buch. Offizieller Katalog zur Expo 2000 Hannover, Gütersloh 2000.
Determann, Johannes (Bearb.), Christus-Pavillon: von der EXPO 2000 Hannover nach Volkenroda (Thüringen). Demontage und Wiederaufbau, Düsseldorf 2002.
Käßmann, Margot (Hg.), Der Christus-Pavillon: von der Expo 2000 zum Kloster Volkenroda. Nachhaltige Architektur in Stahl und Glas, Düsseldorf 2003.
Wegner, Gerhard/Hirschler, Horst, Der Christus-Pavillon. Die EXPO-Kirche (Kleine Kunstführer 2433), Regensburg 2000.
Lebender Christus-Pavillon. Damals auf der Expo 2000 in Hannover – heute im Kloster Volkenroda in Thüringen, hg. vom Stahl-Zentrum Düsseldorf, Düsseldorf 2006.
Ludwig, Matthias, Körner-Volkenroda, Christus-Pavillon im Kloster Volkenroda, auf: Straße der Moderne, 2017.
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