Pirmasens, Exerzierplatz, ein lateinischer Schriftzug erinnert an die Verdienste der Oberbürgermeister Karl Rheinwalt (bis 1993) und Robert Schelp (ab 1994) um die Erneuerung des Platzes von 1993 bis 1995 (Bild: Gerd Eichmann, CC BY SA 4.0, 2013)
BAU: Exerzierplatz
ADRESSE: Exerzierplatzstraße, 66953 Pirmasens
BAUZEITEN: 1993–1995
ARCHITEKT: Paolo Portoghesi mit dem Büro INFRA (E. Baier, Wolfram Becker und Wolfgang Marx)
Der Exerzierplatz von Pirmasens ist ein einziges großes Zahlenspiel: 106 Säulen umfangen einen zwölfzackigen Stern, der sich in der Basaltpflasterung in zwei Stufen zu einer blumenartigen Form entfaltet. In der Platzmitte findet sich eine Öffnung, begrenzt von einer Balustrade mit Kugeln, die über Treppen zu einer Tiefgarage mit 600 Stellplätzen führt. Das Kreisrund wird umgeben von zehn elliptischen und zehn dreckigen Becken, die zusammen bis zu 150 Kubikmeter Wasser fassen können. Für diesen zentralen Blickpunkt wurden 600 Meter Leitungen verlegt und 30 Unterwasserscheinwerfer installiert. Mitten hindurch führt ein Fußweg, darüber erhebt sich eine spitze, stählerne, 25 Meter hohe Turmkonstruktion. Dieses postmoderne Gesamtkunstwerk des italienischen Architekten Paolo Portoghesi (mit dem Mainzer Büro INFRA: E. Baier, Wolfram Becker und Wolfgang Marx), das am 16. September 1995 eröffnet wurde, feiert nächstes Jahr seinen 30. Geburtstag.
Pirmasens, Exerzierplatz, die kreisrunde Pflasterfläche wird von Kastanienbäumen umstanden (Bild: via mapio.net)
Geometrie der Geschichte
So barock die Anlage heute auch wirken mag, so stark hat er sich seit dem 18. Jahrhundert verändert. Ursprünglich als Parade- und Exerzierplatz konzipiert, gingen nach dem Zweiten Weltkrieg und seinen Zerstörungen rund zwei Drittel der Freifläche verloren. Mit dem langsamen Wiederaufbau der Stadt wurde die Fläche von neuen Banken und Läden umrundet. Erst in den frühen 1990er Jahren beauftragte die Stadt nach einem vorlaufenden Wettbewerb schließlich Portoghesi mit der Neugestaltung des Platzes, der an das sogenannte Neue Rathaus von Pirmasens anschließt. Eine in Latein gehaltene Plakette weist vor Ort darauf hin, dass nur der zentrale Spitzturm von Portoghesi stammt, das übrige (Platz und Kolonnade) wird auf einen Entwurf des Mainzer Büros INFRA (E. Baier, Wolfram Becker und Wolfgang Marx) zurückgeführt.
Für den Exerzierplatz verband man das Schöne mit dem Nützlichen: Die zentrale Öffnung bringt Licht und Luft in die darunterliegende Tiefgarage. In die Kolonnade aus rötlich getönten Betonelementen wurden zugunsten der Aufenthaltsqualität ein Kiosk und Cafés eingebunden. Und der äußere Ring aus Kastanien bringt nicht nur etwas Grün in die steinerne Platzfläche, sondern schirmt auch den Straßenlärm des umgebenden Autoverkehrs ab. Rasch etablierte sich der „Exe“, wie er in Pirmasens kurz genannt wird, als beliebter Veranstaltungsort – vom Flohmarkt bis zum jährlichen Oldtimertreffen.
Pirmasens, Exerzierplatz, das Blau der stählernen Turmkonstruktion wird von den umgebenden Wasserbecken wieder aufgegriffen (Bild: Daniel Zolin, via google-Maps, 2018)
Italien in der Pfalz
Der italienische Architekt und Architekturtheoretiker Paolo Portoghesi, 1931 in Rom geboren und 2023 in Calcata gestorben, verschrieb sich einer Postmoderne mit klaren historischen Bezügen. Nachdem er 1957 sein Architekturstudium in Rom abgeschlossen hatte, arbeitete er dort zunächst in der Lehre, bis er in den 1960er Jahren mit Vittorio Gigliotti ein Architekturbüro eröffnete. In der Folge hatte er einen Lehrstuhl in Rom und Mailand inne. Er beteiligte sich 1990 am Wettbewerb der Stadt Pirmasens, um den Exerzierplatz neu zu gestalten. Zwar landete er nur auf dem dritten Platz (Rob Krier wurde mit dem ersten Preis ausgezeichnet), aber die Stadt vergab den Auftrag zuletzt doch an Portoghesi.
Eine Pirmasens vergleichbare Platzgeometrie sollte Portoghesi 2002 mit dem Teatro Politeama im italienischen Catanzaro 2002 entfalten, hier als Strahlen von einem schiefrunden Oval ausgehend. Auch in Portoghesis theoretischen Konzepten findet sich eine Parallele zu Pirmasens: „La Spirale Conica die Adriano“, mit diesem Projekt skizziert er 1998 mit Petra Bernitsa 1998 in ihrer gemeinsamen Publikation „Arte e Natura“ ein zylindrisches Holzgestell. Diese 25 Meter hohe Konstruktion sollte als architektonische Skulptur die Erinnerung an Hadrian mit Anleihen aus der italienischen Renaissance zu einem hochsymbolischen Gebilde verbinden.
Text: Karin Berkemann, September 2024
Pirmasens, Exerzierplatz (Bild: Pick51, via tripadvisor.com, 2017)
Pirmasens, Exerzierplatz, Plakette (Bild: Gerd Eichmann, CC BY SA 4.0, 2021)
Pirmasens, Exerzierplatz, Plakette (Bild: Gerd Eichmann, CC BY SA 3.0, 2013)
Pirmasens, Exerzierplatz (Bild: links: pick51, via tripadvisor.com, 2017; rechts: Gerd Eichmann, CC BY SA 4.0, 2017)
Redecke, Sebastian, Paolo Portoghesi (1931–2023), in: Bauwelt, 15, 2023.
Online-Auftritt des Mainzer Architekturbüros INFRA.
Bernitsa, Petra (Hg.), Arte et Natura. Art and Nature. Paolo Portoghesi, Auro, I Giardini della Memoria, Katalog, Rom, 1997.
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