Lichterfeld-Schacksdorf, Abraumförderbrücke F60 – Schriftzug des Kombinats TAKRAF (Tagebau-Ausrüstungen, Krane und Förderanlagen) (Bild: J.-H. Janßen, CC BY SA 3.0, 2010)
KONSTRUKTION: Besucherbergwerk F60
ADRESSE: Bergheider Straße 4, 03238 Lichterfeld-Schacksdorf (Besucherbergwerk), ehemals Tagebau Klettwitz-Nord in Lauchhammer
BAUZEIT (MONTAGE): 1989–1991
MITWIRKENDE: VEB Schwermaschinenbau Lauchhammerwerk, Kombinat TAKRAF (Tagebau-Ausrüstungen, Krane und Förderanlagen)
Was dem Ruhrgebiet der Zechenturm, ist in Brandenburg die F60 – die unübersehbare Erinnerung an einen schwindenden Industriezweig, der sich tief in die Landschaft eingegraben hat. Die 1992 stillgelegte Abraumförderbrücke bildet seit 2002 den Mittelpunkt eines Besucherbergwerks bei Lichterfeld-Schacksdorf. Wo früher Braunkohle abgebaut wurde, treffen sich heute Technikbegeisterte, Freizeitsportler:innen und Konzertbesucher:innen vor dieser besonderen Kulisse. Denn als Teil der Europäischen Route für Industriekultur schlägt die denkmalgeschützte F60 (Vorsicht Wortspiel) eine Brücke in die Geschichte der Region.
Lichterfeld-Schacksdorf, Abraumförderbrücke F60, Ansicht von Süden – auf der Gewinnungsseite (rechts) wird die Erde abgebaggert, auf der Abkippungsseite (links, hier mit fünf Abkippstellen) wird sie auf die Halde verbracht (Bild: Falk2, CC BY SA 4.0, 2022)
Ein Vorbereiter
Die Abkürzung F60 nennt zwei Eckdaten der selbstfahrenden Stahlfachwerkgitterkonstruktion: F steht für Förderbrücke, denn die langgestreckte Maschine bewegt Dinge über eine weite Strecke von rechts nach links. 60 benennt die maximale Höhe von 60 Metern, bis zu der Material abgetragen werden kann. Mit einer solchen F60 baut man nicht direkt Braunkohle ab, sondern bereitet deren Abbau vor. Die auf Schienen geführte Anlage beseitigt den Abraum, also Sand, Ton und Lehm, die über der eigentlich begehrten Schicht liegen. Unter der Förderbrücke, im bereits beräumten Gebiet, kann gleichzeitig Braunkohle abgebaggert und mit eigenen Förderbändern abtransportiert werden.
Um ihre Aufgabe erfüllen zu können, verbindet die F60 zwei Pole: Auf der einen Seite wird der Abraum gewonnen (also Erde abgebaggert), auf der anderen Seite wird er verkippt (also auf die Halde geworfen). Dazwischen bewegt sich das Material auf Förderbändern vom einen zum anderen Ende. Auf der Gewinnungsseite können zwei Eimerkettenschwenkbagger vorgeschaltet werden, auf der Verkippungsseite stehen bis zu fünf Abwurfstellen zur Verfügung. Für die notwendige Infrastruktur sorgen mitfahrende Wagen wie der Trafowagen, der Kabelwagen und das Sozialgebäude. Damit die Technik der Riesenmaschine optimal ineinandergreift, kann sie nur in ganz bestimmten Landschaftsformen eingesetzt werden, darunter die Lausitz.
Lichterfeld-Schacksdorf, Abraumförderbrücke F60 – seitlich konnten Bagger vorgelagert werden, um den Abraum zu fördern (Bild: Falk2, CC BY SA 4.0, 2022)
Nummer 5 lebt
Die F60, die heute bei Lichterfeld als Besucherbergwerk dient, ist die fünfte und letzte ihrer Art. In den 1980er Jahren wurde dieser Typ vom Volkseigenen Betrieb (VEB) Schwermaschinenbau Lauchhammerwerk des Kombinats TAKRAF (Tagebau-Ausrüstungen, Krane und Förderanlagen) hergestellt. Vier der Förderbrücken sind weiterhin in der Lausitz im Betrieb: in Nochten, Jänschwalde, Reichwalde und Welzow-Süd. Nur die fünfte – die F60, die im ehemaligen Tagebaugebiet Klettwitz-Nord aufgerichtet wurde – steht heute still. Viele ihrer (demontierten) Bauteile halten die anderen Standorte am Laufen.
In Klettwitz-Nord hatte 1989 die Montage der F60 begonnen, deren Betrieb am 5. Februar 1991 aufgenommen werden konnte. Schon am 30. Juni des Folgejahrs legte man die Anlage wieder still, denn der gesamte Tagebau-Standort wurde geschlossen, denn die Abgaswerte und der Landschaftsverbrauch von Braunkohle fallen deutlich zu hoch aus. Vor diesem Hintergrund plante die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbauverwaltungsgesellschaft (LMBV), die nicht mehr genutzte Abraumförderbrücke zu verschrotten, genauer gesagt: zu sprengen. Doch dagegen regte sich rasch Widerstand.
Lichterfeld-Schacksdorf, Abraumförderbrücke F60 – der Raum im (heute museal genutzten) Sozialgebäude diente schon zu Bergbauzeiten als Kantine (Bild: Falk2, CC BY SA 4.0, 2022)
Für Besucher:innen aller Art
Nach vielen Vorverhandlungen konnte 1998 die Sprengung der F60 verhindert werden: Die Anlage ging ins Eigentum der Gemeinde Lichterfeld-Schacksdorf über, wurde für Besucher:innen geöffnet und schließlich aus dem Tagebaugebiet an ihren heutigen Standort gefahren. Im Jahr 2000 gehörte die F60 als Teil der „Lausitzer Leuchttürme“ zur Weltausstellung Expo 2000, in den folgenden zehn Jahren nahm man sie als Vorzeigeprojekt in die Internationale Bauausstellung „Fürst-Pückler-Land“ auf.
Die F60 wiegt seit dem Teilrückbau 11.000 Tonnen und ruht auf insgesamt760 Rädern. Sie umfasst eine Höhe von 80 Metern, eine Länge von 502 Metern und eine Breite von 240 Metern. Heute wird die Abraumförderbrücke auf ganz vielfältige Weise neu genutzt: als Erinnerung an einen landschaftsprägenden Industriezweig, als technisches Denkmal, als sichtbares Zeichen für den Strukturwandel in der Region und als futuristische Kulisse für Konzerte und Events. Nicht zuletzt reicht der Blick von der rund 75 Meter hohen Aussichtsplattform weit ins Land. Und spätestens, seit das ehemalige Tagebaugelände bis 2014 schrittweise geflutet wurde, bietet die F60 vor dem neugeschaffenen Bergheider See eine fotogene Kulisse für Spaziergänger:innen und Freizeitsportler:innen.
Lichterfeld-Schacksdorf, Abraumförderbrücke F60 – der Besucher:innenweg wurde mit höheren Geländern und blickdichten Bodenplatten ausgestattet (Bild: Falk2, CC BY SA 4.0, 2022)
Ein liegender Eiffelturm
Durch eine Licht- und Klanginstallation des Multimedia-Künstlers Hans Peter Kuhn wird die F60 besonders in Szene gesetzt. Nicht umsonst vergleicht das Besucherbergwerk seine Hauptattraktion gerne mit einer anderen, weltweit bekannteren Sehenswürdigkeit: dem Pariser Eiffelturm aus dem Jahr 1889. Tatsächlich gleichen sich die beiden stählernen Konstruktionen – mit dem feinen Unterschied, dass die Abraumförderbrücke (würde man sie aufrichten) den Eiffelturm noch um 178 Meter überragt. Für sein Engagement, dieses besondere Zeugnis der Wirtschafts-, Technik- und Kulturgeschichte dauerhaft zu erhalten, wurde der Förderverein Besucherbergwerk F60 2019 mit der Silbernen Halbkugel des Deutschen Preises für Denkmalschutz ausgezeichnet.
Text: Karin Berkemann, Juli 2024
Lichterfeld-Schacksdorf, Abraumförderbrücke F60 – Blick nach Südost (Bild: Falk2, CC BY SA 4.0, 2022)
Lichterfeld-Schacksdorf, Abraumförderbrücke F60 (Bild: Falk2, CC BY SA 4.0, 2022)
Lichterfeld-Schacksdorf, Abraumförderbrücke F60 (Bild: Falk2, CC BY SA 4.0, 2022)
Lichterfeld-Schacksdorf, Abraumförderbrücke F60 – das Sozialgebäude (Bild: Falk2, CC BY SA 4.0, 2022)
Lichterfeld-Schacksdorf, Abraumförderbrücke F60 – Luftaufnahme (Bild: Wolkenkratzer, CC BY SA 4.0, 2015)
Online-Auftritt des Besucherbergwerks F60.
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