Bad Colberg, Therme, Stahlpalme über dem Saunabereich im Norden der Therme (Bild: Clemens Peterseim, 2024)
BAUTEN: Kurklinik und Terrassentherme
ADRESSE: Parkallee 1, 98663 Heldburg-Bad Colberg
BAUZEIT: 1995–1997
ARCHITEKT:INNEN: Kauffmann Theilig & Partner (ktp-architekten: Andreas Theilig und Dieter Ben Kauffmann)
PREISE: 1998 Thüringer Preis für energiesparende und innovative Bauten, 1998 The DuPont Benedictus Award (Special Merit), 1998 Thüringer Architekturpreis für Industrie- und Gewerbebauten (Anerkennung)
In Bad Colberg wagte man Mitte der 1990er Jahre den großen Wurf: Aus der mehrfach erweiterten Kuranlage des frühen 20. Jahrhunderts sollte ein modernes Gesundheits- und Erholungszentrum werden. Unter stählernen Palmen bietet die Terrassentherme eine Badelandschaft mit unterschiedlichsten Becken und Temperaturbereichen. In den Hang gestaffelt, können die zugehörigen Bettenhäuser bis zu 300 Menschen aufnehmen. Diese hohe Nutzungsdichte bleibt in einer klugen Balance mit individuellen Rückzugsbereichen. Hier glückte es dem Büro ktp-architekten, etwas verspielte Postmoderne mit viel High-Tech-Architektur zu einem schlüssigen Ganzen zu verbinden, das sich mit begrünten Dach- und Terrassenflächen harmonisch in die Naturlandschaft des Thüringer Walds einfügt.
Bad Colberg, Kurklinik und Terrassentherme, Grundriss und Schnitt (Bild: ktp-architekten)
Von Anbau zu Anbau
Die Kurklinik und die Terrassentherme Bad Colberg finden sich, inmitten der malerischen Natur des südlichen Thüringer Walds, etwa 15 Kilometer westlich von Coburg. Schon 1907 erschloss man hier Heilquellen und errichtete dafür 1910 im Süden der heutigen Anlage eine hufeisenförmige Trinkhalle mit Uhrenturm. Im Lauf der Zeit wurden die Gebäude modernisiert und erweitert. 1921 ging das Ensemble an die Thüringische Landesversicherungsanstalt, die neben den salzhaltigen Quellen 1927 auch eine fluoridhaltige Natrium-Chlorid-Thermalquelle erschließen ließ. Die Trinkhalle wurde 1929 nach Nordosten um Bauten ergänzt, die sich um einen offenen parkartigen Hof gruppieren. Bis 1930 folgten in neubarocken Formen eine 170 Meter lange Wandelhalle und ein Sanatoriumsbereich mit 180 Betten. Weiter nördlich entstanden villenartige Klinikgebäude, unter anderem für die Behandlung von Kindern.
Ab 1939 als Lazarett und Kinderheim genutzt, wurde die Anlage 1950 wieder ihrem ursprünglichen Zweck zugeführt. An den südlichen Schenkel des Hufeisens wurden 1974 eine weitere Trinkhalle mit Trinkbrunnen, ein Schwimmbad und 1978/79 Sporteinrichtungen angeschlossen. Ein individuell angepasstes DDR-Typenwohnhaus für den Chefarzt setzte man 1979 in die östliche Mittelachse des Ensembles. Zeitgleich wurden im Südosten zwei Mehrfamilienhäuser für das Personal errichtet. Da die – inzwischen nach Dr. Kurt Fischer benannte – Kuranlage nah an der deutsch-deutschen Grenze lag, blieb sie den Genoss:innen des Ministeriums des Innern (MdI) vorbehalten.
Bad Colberg, Wohnhaus des Chefarztes und seiner Familie (links) von 1979 sowie die Schwimmhalle (rechts) von 1978 (Bilder: Clemens Peterseim, 2024)
Sprung in die (Spät-)Moderne
1991 wurde die Colberger Anlage wieder an die Landesversicherungsanstalt Thüringen übertragen, die mit weiteren Bohrungen 1994 eine schwefelhaltige Thermalsole erschließen ließ. Die Rehabilitationsklinik Bad Colberg GmbH übernahm danach den Ausbau zum modernen Kurort. Ein Gutachten markierte dafür 1992 den nördlichen Sülzfelder Berg als ideales Grundstück. Im Oktober 1993 startete das Büro Kauffmann Theilig & Partner (ktp-architekten) mit den Planungen, um die Kuranlage umfangreich zu erweitern.
Die Leitung des ehrgeizigen Projekts lag beim Architekten Manfred Ehrle. Mit Lucas Müller, der in Bad Colberg ebenfalls beteiligt war, ist er bis heute im Büro arc|ass schwerpunktmäßig im Gesundheitsbau tätig. Als die Bauarbeiten im Februar 1995 begannen, gehörten zum Team auch Michael Stikel, Annette Höftmann, Katrin Stein und Elmar Holtkamp. Nach zwei Jahren Bauzeit konnte das Ensemble im April 1997 fertiggestellt und am 31. Mai 1997 eröffnet werden. Bereits 2006/07 setzte man die Anlage instand.
Bad Colberg, Blick vom mittleren Bettenhaus über das Hufeisen nach Süden (Bild: Clemens Peterseim, 2024)
In den Hang geschnitten
Das Areal am Südhang des Sülzfelder Berges wurde mit nahezu 23.000 Quadratmetern umfangreich neu bebaut. Vier Bettenhäuser, die oberirdisch getrennt erscheinen, sollten insgesamt 300 Menschen fassen. Hinzu kamen Therapieeinrichtungen und eine neue Therme. In der Kurklinik konnten verschiedene medizinische Anwendungen und Therapien in Anspruch genommen werden: Physiotherapie, Ergotherapie, Massageanwendungen und Bewegungsprogramme.
Unterirdisch sind alle Therapieräume, die Bettenhäuser und das Bad miteinander verbunden. Die Kommunikationsflächen und Therapieräume im Erdgeschoss werden durch vier Atrien belichtet, die in den Hang eingeschnitten sind. Schaut man von den darüber liegenden Balkonen auf die begrünten Dachflächen, fügen sie sich zur harmonischen Wiesen- und Gartenfolge. Als Leitgedanken ihres Entwurfs nennen die Architekt:innen landschaftliche Integration – entsprechend ordnen sich alle Baukörper, auch in der Fernsicht, der natürlichen Wald- und Hügelsilhouette unter.
Bad Colberg, links: Eingangsfoyer von Süden; rechts: Therme, Badebereich von Süden (Bilder: Clemens Peterseim, 2024)
Unter stählernen Palmen
Keines der vier Bettenhäuser gleicht dem anderen. Zwischen ihnen öffnen sich kleine überschaubare Bereiche, die den Patient:innen eine persönlichere Umgebung und Betreuung garantieren sollten. Die wohnlichen Patient:innenzimmer in hellen Holztönen mussten ausdrücklich mit Hotelstandards mithalten, um keine Klinikatmosphäre aufkommen zu lassen. Aus der am Berghang aufgefächerten Grundrissform entwickeln sich leicht geschwungene Fassaden mit vorgeschalteten Balkonen. Zur Orientierung dienen die Grundfarben Rot, Gelb, Blau – von den zentralen Erschließungskernen der Wohnblöcke über die teils palmenartigen Stützen der Therme bis zu den Treppenhäusern und Wandelgängen.
Das Kernstück der Anlage bildet die Terrassentherme: Thermalbecken, Saunen, Ruhebereiche und ein großzügiger Außenbereich. Dies haben die Architekt:innen, wie sie es formulieren, „nicht als Haus, sondern als formalisierte Landschaft konzipiert, die von einer leichten äußerst transparenten Stahl-Glas-Konstruktion umgeben ist. Elf unterschiedlich große, runde Becken sind kaskadenartig in der Terrassentherme den Hang hinauf gestapelt.“ Charakteristisch sind die nüchtern als „Schattierungseinrichtungen“ bezeichneten Stahlpalmen. Sie umrunden die Freibereiche und durchschneiden mitunter die gläserne Außenhaut des Hauses. Damit sorgen sie sie für ein wenig Sonnenschutz und erinnern an ein tropisches Blätterdach. Folgt man der Erklärung der Architekt:innen, so schaffen sie eine „Atmosphäre der Offenheit bei gleichzeitig behaglichem Raumklima“.
Bad Colberg, Therme, Eingangsbereich von Westen mit einer der schattenspendenden Stahlpalmen (Bild: Clemens Peterseim, 2024)
Teil der Landschaft
Im Freibereich hinter der Therme, oberhalb von Sauna und Badebereich, liegen Stücke einer Betonmauer in der Landschaft. Zum einen leiten sie nach oben zu den Wiesen und Wäldern über. Zum anderen scheinen sie auf die ehemalige innerdeutsche Grenze zu verweisen, die unmittelbar nördlich des Klinikareals verlief. Im Luftbild gut erkennbar, fügen sich auch die umgebenden Hecken und Sträucher in diese zersplitterte Szenerie.
Oberhalb der Therme läuft der Freibereich parkartig zum Wald hin aus. Auch das gläserne Pultdach des Badebereichs folgt der Topografie. Teile der Saunalandschaft liegen unterirdisch, sodass sie im begrünten Dach nur durch ein rundes Glasoberlicht und zwei skulpturale stählerne Belüftungsrohren auszumachen sind. Dagegen präsentiert sich die Hauptfront nach Südwesten sehr viel offener. Eher störend düster wirkt hier der spätere Anbau an das historische Verwaltungsgebäude in der Parkallee.
Bad Colberg, Bettenhaus mit der Cafeteria im Erdgeschoss von Süden (Bild: Clemens Peterseim, 2024)
Wie auf Kreuzfahrt
Westlich des Bads ragen die Bettenhäuser wie Türme aus dem Hang empor. Ihr Grundriss ist jeweils aus einem Kreis entwickelt, der um ein zentrales Treppenauge gezogen wurde. Aus der Grundform treten jeweils individuell geformte Polygone hervor, die das Licht optimal in die Wohnbereiche leiten und zugleich von allen Seiten einen weiten Ausblick bieten. Obwohl die Anlage vom Parkplatz im Südwesten geschlossen wirkt, erschließen sich zwischen den Bettenhäusern im Nähertreten dann doch erstaunliche Zwischen- und Freiräume, Passagen und Ebenen.
Geprägt werden die Bettenhäuser durch die umlaufenden Außengänge, die auf Stahlkonsolen ruhen. Ihre ebenso stählernen Geländer erinnern an die Reling von Kreuzfahrtschiffen. Diesem Bild folgen die spitzwinkligen Gebäudeecken unter den kreisrunden Flachdächern. In unterschiedlichen Größen treten die Fenster als Rechtecke und Quadrate teilweise tief hinter die Fassadenflucht zurück. Mit flächigen Glaselementen vor den Gemeinschaftsräumen, mit auskragende Balkonstützen, abgespannten Stahlseilen, diaphanen Treppenläufen und Stahlgitter-Brüstungsfeldern macht die Baugruppe der zeitgemäßen High-Tech-Architektur ihre Aufwartung. So bilden die Bettenhäuser zugleich einen starken Kontrast zur Landschaft und zu den historischen Kurbauten.
Bad Colberg, Blick vom Balkon des ersten Obergeschosses im östlichen Bettenhaus über die Lichthöfe zu den westlichen Bettenhäusern (Bild: Clemens Peterseim, 2024)
Holz, Stahl und viel Farbe
Die Materialwahl der gesamten Anlage ist funktional schlicht: viel Stahl, etwas Holz in den Balkon- und Terrassenbereichen, selten farbig gefasste Putzflächen sowie gläserne Fenster und Türen. Im Inneren wird der Raum durch schrägstehende Stützen und farbig gefasste Wandpartien aufgelockert.
Hinter einem weitläufigen begrünten Vorplatz zurücktretend, erschließt das geräumige Foyer über Gänge und Treppen die einzelnen Bereiche der Kurklinik. Ein roter Treppenkern und einige Holzpaneele heben sich hier von den ansonsten schlicht gestalteten Fluren ab. Unter den Wohnbereichen – auf der Ebene des Parkplatzes, neben einer rückwärtigen Tiefgarage – verstecken sich Versorgungseinrichtungen wie Großküche und Wirtschaftsräume. Die funktional mit viel Holz gestalteten Apartments bestehen standardmäßig jeweils aus einem Schlafzimmer mit Balkon und Bad. Größere Einzel- und Doppelzimmer vervollständigen das Raumangebot.
Bad Colberg, Bettenhäuser von Süden mit dem Parkplatz (Bild: Clemens Peterseim, 2024)
Auf dem Weg zum Lost Place
In Bad Colberg glückte den Architekt:innen mit ihrem mehrfach ausgezeichneten Projekt etwas Bemerkenswertes: Die terrassenartig gestaffelten Bauten, die im Sockelbereich zu einem einzigen Großkomplex verschmelzen, fügen sich harmonisch in die hügelige Umgebung. Gleichzeitig bieten sie den Besucher:innen und Patient:innen auf nahezu jeder Ebene einen malerischen Ausblick und vergleichsweise viel Privatsphäre – trotz der großen Bettenanzahl. Dieses Zusammenspiel von Natur und Architektur wird durch die ausgedehnte Dach- und Terrassenbegrünung sowie durch die großen Glasflächen noch verstärkt.
Stilistisch pendelt der Komplex zwischen einer ironisch wirkenden Postmoderne und einem stark technisch beeinflussten Funktionalismus. Damit ist das ebenso vielgestaltige wie geschlossene Gesamtensemble alles andere als langweilig. Die Architektur der Therme unterstützt das übergreifende Gesundheitskonzept der Kuranlage und bildet mit den Stahlpalmen den gestalterischen Höhepunkt. Hier wurden die Besucher:innen nicht allein durch unterschiedliche Temperaturen, Luftfeuchtigkeitszonen und Ruhebereiche geführt. Auch die hier vorherrschenden runden Formen sollten die Erholung und das Wohlbefinden der Kur- und Badegäste fördern. Das Kernstück der Neubauten, die Therme, steht für den frühen Wellness-Boom, der dem Thüringer Wald gleich mehrere große Spaßbäder bescherte. Doch diese Investments waren mitunter von kurzer Dauer. Auch die Terrassentherme und die Kurklinik von Bad Colberg sind seit 2023 geschlossen und auf dem Weg, einer der jüngsten Lost Places der wiedervereinigten Republik zu werden.
Text: Clemens Peterseim, September 2024
Bad Colberg, Therme, Westseite mit begrüntem Dach des Kassenhauses (Bild: Clemens Peterseim, 2024)
Bad Colberg, links: Neues Quellhaus im Osten der Anlage von Westen; rechts: Blick vom mittleren Bettenhaus in einen der Lichthöfe des Erdgeschosses (Bilder: Clemens Peterseim, 2024)
Bad Colberg, Gesamtanlage von Süden, links im Bild Teile der historischen Bauten, rechts die Bettenhäuser der 1990er Jahre (Bild: Clemens Peterseim, 2024)
Online-Auftritt des Büros ktp-architekten.
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