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St. Pius X. in Hohen­stein-Ernst­thal

1998, Christopher Schroeer-Heiermann, Expert:innen-Tipp, Peter Böhm, Sachsen
Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X. (Bild: Christopher Schroeer-Heiermann, 1998)

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X., Blick auf die Omega-Bögen beim Beleuchtungstest zum Ende der Bauarbeiten, 1998 (Bild: Christopher Schroeer-Heiermann)

  • St. Pius X.

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BAUT: St. Pius X.
ADRESSE: Grenzweg 17, 09337 Hohenstein-Ernstthal
BAUZEIT: 1997–1998
ARCHITEKTEN: Peter Böhm, Christopher Schroeer-Heiermann


Als 1998, kurz vor der Weihe, die Beleuchtung der Kirche St. Pius X. ausgetestet wurde, war man sich rasch einig. Die klare, im besten Sinne einfache Gestaltung – im Prinzip „nackte“ Glühbirnen – fügte sich perfekt in das Gesamtkonzept ein. Immerhin kam sie aus dem gleichen Büro wie das Bauwerk: von den Kölner Architekten Peter Böhm und Christopher Schroeer-Heiermann. Was ab 1997 in Hohenstein-Ernstthal bei Chemnitz umgesetzt wurde, begann eigentlich in Venedig. Zur dortigen Architekturbiennale hatte Peter Böhm 1992 einen Kirchenentwurf eingereicht. Daraufhin meldete sich das Bistum Dresden-Meißen, das den Plan gerne bei sich umsetzen wollte. Zunächst sprach man über einen Standort in Limbach-Oberfrohna, schließlich fiel die Wahl auf Hohenstein. Denn die dortige Gemeinde hatte just 1991 ein ehemaliges LPG-Grundstück an den Hängen über der Ortschaft erworben und suchte nun einen Architekten. Mit seinen zeichenhaften Omega-Bögen, den rostroten Betonoberflächen und der malerischen Lage erregte St. Pius X. rasch überregionale Aufmerksamkeit.

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X. (Bild: Jörg Seifert)

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X., Außenbau von Südwesten (Bild: Jörg Seifert)

Beton lokal

Bei der Umsetzung der Kirche in Hohenstein-Ernstthal ging es dann ganz rasch – die Bauarbeiten brauchten knapp anderthalb Jahre. Auf die Grundsteinlegung am 8. April 1997 folgten im Februar 1998 das Richtfest und am 20. September 1998 schließlich die feierliche Weihe. St. Pius X. ist in vielen Details eng auf seine Umgebung bezogen. Dass der vor Ort vergossene Beton rostrot eingefärbt wurde, soll an den lehmigen Boden der Region erinnern. Im Gegensatz dazu öffnet sich der Bau durch große, wandhohe, gesprosste Fensterflächen – (fast) jeder Winkel des Gottesdienstraums ist von außen einsehbar. Ist er von innen beleuchtet, strahlen die drei Omega-Bögen bei Nacht wiederum als heller Schattenriss weit in das Dorf hinein.

Der Kirchenbau ruht auf einem T-förmigen Grundriss, dessen breite Seite das Hauptportal im Omegabogen aufnimmt. Steht man vor der Hauptfassade, birgt die linke, kürzere Seite des Triptychons den Seiteneingang. Der rechte Flügel hingegen nimmt die Werktagskapelle auf, deren niedrige Rotunde mit Oberlicht sich im schmalen Riegel des Baukörpers deutlich abzeichnet. Wie im Hauptraum sind auch hier die Bänke gerundet. Drei Omegabögen trennen die inneren Funktionsbereiche: das Foyer im schmalen Querriegel, den Gottesdienstraum und den wiederum flachen, zweifach gestuften Altarraum, der sein Licht über seitliche Fensterschlitze erhält.

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X. (Bild: Christopher Schroeer-Heiermann, 1998)

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X., Modell der Kirche mit dem nicht umgesetzten Pfarrhaus (links im Bild) (Bild: Christopher Schroeer-Heiermann)

12 x 12 x 6

Bei der Gestaltung des Kirchenbaus legte Böhm eine Spur zu symbolhaften Formen und Zahlen. Der Omega-Bogen, der sich insgesamt dreimal in St. Pius X. findet, hat seine Entsprechung im Alpha auf der Altarfront. Mit dem ersten und letzten Buchstaben des griechischen Alphabets verbindet die christliche Tradition, dass sich Jesus als Anfang und Ende der Welt erweist. In den drei Teilen des Baukörpers, der sich an der Fassade wie ein Triptychon auffaltet, wiederholt sich mehrfach das Maß von zwölf Metern – eine Zahl, die von der Bibel auf die Stämme Israels, die Jünger Jesu und die Tore des himmlischen Jerusalem bezogen wird.

Am Triptychon der Fassade sticht ins Auge, dass er an seiner linken Seite statt zwölf nur sechs Meter breit ist. Hier hatte Böhm im Ursprungsmodell noch ein Pfarrhaus von sechs Metern Höhe angegliedert, das später nicht in dieser Form umgesetzt wurde. Die Ausstattung der Kirche fiel von Seiten der Architekten bewusst reduziert aus. Für Altar, Ambo, Osterleuchter und Tabernakel kamen der rötlich gefärbte Beton des Baukörpers, zudem Schiefer und Metall zum Einsatz, während die Bänke in hellem Holz gehalten sind.

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X. (Bilder: Christopher Schroeer-Heiermann,)

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X., Blick zum Altarraum mit dem heutigen Kruzifix (links) und mit dem schlichten Metallkreuz der Baustellenzeit (Bilder: Christopher Schroeer-Heiermann)

Kölner Familientradition

Peter Böhm (*1954) gehört zur dritten Generation einer traditionsreichen Kölner Architekt:innendynastie. Auf den expressionistisch-modernen Kirchenbaumeister Dominikus Böhm (1880–1955), bekannt für Werke wie St. Engelbert in Köln-Riehl (1932), folgte dessen Sohn Gottfried (1920–2021), der vor allem mit betonbrutalistischen Bauten wie dem Mariendom in Neviges (1968) auf sich aufmerksam machte. Auch seine Frau, die Architektin Elisabeth (1921–2012), gehörte zum kreativen Zirkel der Familie. In der dritten Generation sind alle vier Söhne künstlerisch tätig: Markus (*1953) als Maler (und Informatiker), Paul (*1959), Stephan (*1950) und Peter als Architekten. Zusammenarbeiten und gegenseitige Bezugnahmen sind innerhalb der Familie üblich.

Nach seinem Studium an der TU Berlin wechselte Peter Böhm kurz in die USA, um sich 1987 in Köln selbständig zu machen. In der Folge trat er zudem als Partner in das väterliche Büro ein. Zu seinen bekanntesten Werken zählen die Kölnarena (1998, heute Lanxess Arena) oder das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst in München (2013). Für St. Pius X. in Hohenstein-Ernstthal tat sich Peter Böhm mit seinem Mitarbeiter Christopher Schroeer-Heiermann zusammen. Geboren 1967 in Laramie/Wyoming in den USA, studierte er in den USA und Dänemark. Ab 1990 arbeitete er im Architekturbüro von Peter Böhm, bevor er sich 2000 selbständig machte. Für die bildhafte transparente Öffnung der Fassade finden sich im Werk der Böhm-Familie Parallelen etwa bei der Kölner DITI-Zentralmoschee (2017). In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren prägte auch der Architekt Tadao Ando religiöse Räume mit symbolträchtigen geometrischen Fensteröffnungen in Sichtbetonoberflächen, darunter die „Kirche des Lichts“ (1989) im japanischen Ibaraki.

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X. (Bild: Christopher Schroeer-Heiermann,)

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X., Blick auf die Fassade mit den drei Omega-Bögen bei Nacht (Bild: Christopher Schroeer-Heiermann)

Tiefe Wurzeln

In Hohenstein-Ernstthal war die Zahl römisch-katholischer Bürger:innen seit dem 19. Jahrhundert durch den Zuzug von Industriearbeiter:innen langsam angewachsen. Doch erst nach Kriegsende, vor allem in den 1960er Jahren nahm die Gemeinde einen deutlichen Aufschwung und wurde 1971 zur selbständigen Pfarrei erhoben. Lange hielt man die Messe in (ehemaligen) Gaststätten, in der örtlichen protestantischen Kirche und anderen Provisorien. Erst 1950 kamen ein eigener Kindergarten, 1952 eine Kapelle in einer ehemaligen Kegelbahn und 1962/63 dann die langjährige Kapelle in der Karl-May-Straße 5 hinzu – als Umbau einer vormaligen Chemischen Reinigung. Aus der bis 1995 genutzten Kapelle wurde ein Kreuzweg des Görlitzer Künstlers Georg Nawroth in die heutige Werktagskapelle von St. Pius X. übernommen. Der Corpus an der Altarwand (zur Bauzeit stand hier noch ein schlichtes Metallkreuz) stammt von einem Wegkreuz der sorbischen Oberlausitz und kam als Geschenk der Pfarrei Nebelschütz in die Kirche. Die Gemeinde von St. Pius wird seit 2020 zur Pfarrei Heilige Familie Zwickau gerechnet.

Text: Karin Berkemann, Juni 2025

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X. (Bilder: Christopher Schroeer-Heiermann,)

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X., Altarraum und Außenbau während der Bauarbeiten (Bilder: Christopher Schroeer-Heiermann)

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X. (Bilder: Christopher Schroeer-Heiermann,)

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X., Blick ins Foyer (links) und zum Außenbau von Südwesten zur Zeit der Fertigstellung (Bilder: Christopher Schroeer-Heiermann)

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X. (Bilder: links: Victor Ibarra, via google-Maps, 2022; rechts: Jörg Seifert)

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X., Außenbau von Nordosten (links) und Hauptportal (Bilder: links: Victor Ibarra, via google-Maps, 2022; rechts: Jörg Seifert)

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X., Foyer (links) und Altarraum (Bilder: links: Jörg Seifert; rechts: Victor Ibarra, via google-Maps, 2022)

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X., Innenraum zum Altar (links) und Hauptportal (Bilder: links: Victor Ibarra, via google-Maps, 2022; rechts: Jörg Seifert)

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X. (Bild: Jörg Seifert)

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X., Werktagskapelle mit Kreuzweg (Bild: Victor Ibarra, via google-Maps, 2022)

Hohenstein-Ernstthal, St. Pius X., Außenbau von Nordosten (Bild: Jörg Seifert)

Online-Auftritt des Büros Peter Böhm Architekten.
Online-Auftritt der Römisch-Katholischen Pfarrei Heilige Familie Zwickau.
Aufnahmen der Baustellenzeit von Christopher Schroeer-Heiermann.
Römisch, Monika, Kath. Pfarrkirche St. Pius X., Hohenstein-Ernstthal, Lindenberg im Allgäu 2000.
Zu den Bildrechten nach Creative Commons informieren Sie sich bitte online über die entsprechenden Bestimmungen.

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Ein Projekt von moderneREGIONAL mit Baukultur NRW, den Betonisten, dem BDA Hessen, dem Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum, dem Denkmalschutzamt Hamburg, dem baden-württembergischen Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, dem Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, urbanophil und dem Landesamt für Denkmalpflege Bremen, fachlich beraten durch Kirsten Angermann, Daniel Bartetzko, Dr. Andreas Butter, Dr. Martin Bredenbeck, Dr. Matthias Ludwig und Olaf Mahlstedt, redaktionell betreut von Peter Liptau, unter der Projektleitung von Dr. Karin Berkemann.
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