Jockgrim, Ziegeleimuseum (links) und Verbandsgemeindeverwaltung mit dem Hochzeitsturm (Mitte)(Bild: Harald Bruett, via google-Maps, 2022)
BAU: Verbandsgemeindeverwaltung
ADRESSE: Untere Buchstraße 22, 76751 Jockgrim
BAUZEIT: 1991–1993
MITWIRKENDE: Gottfried und Stephan Böhm (Verbandsgemeindeverwaltung: Neubauten); Hartmut Hofrichter (Ziegeleimuseum: Renovierung und Wiederaufbau des Bestands)
Dass sich der rheinische Architekt Gottfried Böhm darauf verstand, in die Überreste historischer Bauten bemerkenswerte moderne Akzente zu setzen, ist spätestens seit dem Bensberger Rathaus bekannt. Hier kontrastierte er 1971 brutalistischen Sichtbeton mit einer Burgruine. Im rheinland-pfälzischen Jockgrim durfte er sich gemeinsam mit einem jüngeren Standort auseinandersetzen. Als die Orte Hatzebühl, Jockgrim, Neupotz und Rheinzabern 1972 zusammengefasst wurden, nutzte die Verbandsgemeindeverwaltung zunächst die Villa Sommer. Mit den Jahren wurden die Räume zu klein und 1986 fiel der Entschluss, in die 1972 geschlossene Ziegelei Ludowici umzuziehen. Nach den Entwürfen, die Gottfried Böhm gemeinsam mit seinem Sohn Stephan erstellte, konnten hier am 6. September 1991 das Richtfest und am 3. April 1993 die Einweihung der neuen Verbandsgemeindeverwaltung gefeiert werden. In den sanierten historischen Räumen folgte 1996 die Eröffnung des Ziegeleimuseums, während die Villa Sommer heute das Rathaus von Jockgrim beherbergt.
Jockgrim, Verbandsgemeindeverwaltung mit Hochzeitsturm (links) (Bild: AboAbdo Asmael, via google-Maps, 2017)
Auf dem Ofen
Die Falzziegelwerke Carl Ludowici fanden in Jockgrim 1883 ideale Bedingungen vor: ausgedehnte Tonvorkommen, günstige Arbeitskräfte und eine gute Verkehrsanbindung. So stieg der Betrieb um 1900 zu einem der führenden Hersteller weltweit auf. Doch ab den 1950er Jahren gingen die Ressourcen ebenso wie die Nachfrage zurück, sodass die Fabrikation nach einem Brand 1972 stillgelegt wurde. Erst siedelten sich auf dem Areal vorübergehend andere Betriebe an, bis weite Teile 1984 von der Verbandsgemeinde aufgekauft wurden.
Vor Ort war man rasch bestrebt, die Geschichte der ehemaligen Ziegelei in einem Museum zu präsentieren. Diese Pläne ließen sich mit dem Neubauvorhaben der Verbandsgemeinde kombinieren, sodass eine Anlage aus drei parallel verlaufenden Flügeln entstand: im Westen das Museum in historischen Räumen, in der Mitte und im Osten die dreigeschossigen Verwaltungstrakte. Die beiden Neubauten auf je längsrechteckigem Grundriss errichtete man auf den Überresten des historischen Ringofens. Der mittlere Flügel gipfelt im Süden in einem Turm mit Trauzimmer, dem sogenannten Hochzeitsturm, auf achteckigem Grundriss.
Jockgrim, Verbandsgemeindeverwaltung, Trauzimmer im Hochzeitsturm (links) und Blick in die Erschließung der Büroräume (Bilder: links: Ralf Kühne, via google-Maps, 2023; rechts: Verbandsgemeindeverwaltung, via google-Maps, 2015)
Familienbetrieb
Für die Sanierung des Bestands, teils den Wiederaufbau der ehemaligen Ziegelei, konnte der Architekt und Architekturhistoriker Hartmut Hofrichter (* 1939), damals bereits Professor an der Universität Kaiserslautern, gewonnen werden. Die Neubauten für die Verbandsgemeindeverwaltung wiederum legte man in die Hände von Gottfried und Stephan Böhm. Als erster (und bislang einziger) deutscher Pritzker-Preisträger bildete Gottfried Böhm (1920–2023) die zweite Generation der rheinischen Architekt:innendynastie – nach dem Kirchenbaumeister Dominikus (1880–1955), neben seiner Frau Elisabeth (1921–2012), vor seinen Söhnen Stephan (*1950), Markus (*1953), Peter (*1954) und Paul (*1959). Die Anlage in Jockgrim fällt in das Spätwerk des Architekten, der ab den frühen 1990er Jahren verstärkt mit seinen Söhnen zusammenarbeitete und durch internationale Lehraufträge zwischen Washington und Sofia eine breite Wirkung entfaltete.
In der Materialwahl wollten Gottfried und Stephan Böhm dem Standort gerecht werden, sodass neben Sandstein vor allem rottoniger Ziegel zum Einsatz kam. Das Dachtragwerk und die Fensterrahmen entstanden aus (rötlich lasiertem) Douglasienholz, für die Bodenbeläge verwendete man in den repräsentativen Räumen entsprechend Tonplatten. Zwischen den drei Flügeln verlaufen Verbindungen aus Stahl und Glas, mit denen zeitgenössische Baustoffe sichtbar gemacht werden. Die flach geneigten Walmdächer auf den beiden Neubautrakten sind ebenso wie das Faltdach des Hochzeitsturms mit rottonigen Ziegeln gedeckt. Das Raumprogramm der dreigliedrigen Anlage umfasst neben Ausstellungs- und Büroräumen auch einen Sitzungssaal und ein Trauzimmer.
Jockgrim, Verbandsgemeindeverwaltung, Ostflügel (Bild: Immanuel Giel, CC BY SA 3.0, 2012)
Frühe Anerkennung
Der bereits für die historischen Ziegelei bestehende Denkmalschutz wurde 2021 auf die Böhm’schen Neubauten ausgeweitet. Für Gäste bietet das Ziegeleimuseum neben den regulären Ausstellungsräumen vor allem den teils begehbaren Ringofen. Zudem beginnt hier ein Skulpturenweg mit Werken europäischer Künstler:innen. Unter die plastischen Arbeiten mischt sich auch eines der Kugelhäuser, wie sie Ludowici in den 1950er Jahre für Katastrophenfälle in einer Beton- und in einer Stahlversion entwickelt hatte.
Text: Karin Berkemann, Greifwald/Frankfurt am Main, November 2024
Jockgrim, Ziegeleimuseum, unterirdische Ausstellungsräume im ehemaligen Ringofen (Bilder: Martin Galle, via google-Maps, 2023)
Jockgrim, von Ludowici in den 1950er Jahren entwickeltes Kugelhaus, im Hintergrund die Verbandsgemeindeverwaltung (Bild: Immanuel Giel, CC BY SA 3.0, 2012)
Online-Auftritt des Ziegeleimuseums Jockgrim.
Online-Auftritt der Verbandsgemeindeverwaltung Jockgrim.
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