
Amberg, beim Wohnquartier I wechselte Peter Gasteiger zwischen zweigeschossiger Wohnbebauung und dreigeschossigen Turmhäusern (Bild: google-Streetview, 2022)
BAUTEN (AUSGEWAHL): 1) Wohnquartier Amberg I–II; 2) Damaschkesiedlung; 3) Wohnbau Paradeis; 4) Siedlungsmodell Permoser (erster Bauabschnitt)
ADRESSEN: 1) Dekan-Hirtreiter-Straße und Dr.-Johann-Maier-Straße, 92224 Amberg; 2) Prinz-Rupprecht-Straße 17b, 19a-b, 93053 Regensburg; 3) Hans-Guggemoos-Straße, 82362 Weilheim in Oberbayern; 4) Permoserstraße, 85057 Ingolstadt
BAUZEITEN: 1) 1999/2000; 2) 1996; 3) 1995; 4) 1998/99
ARCHITEKT:INNEN: 1) Peter Gasteiger; 2)–3) Fink+Jocher (Dietrich Fink, Thomas Jocher); 4) Bäuerle-Lüttin (Werner Bäuerle, Frohwin Lüttin)
PREISE: 2) 1999 Deutscher Bauherrenpreis, Besondere Anerkennung; 3) 1995 BDA Preis Bayern; 1995 Gestaltungspreis der Wüstenrot-Stiftung; 1996 Bauherrenpreis; 4) 1997 Architektouren; 1998 Bauherrenpreis BDA; 2002 Holzbaupreis Bayern; 2003 Verzinkerpreis für Architektur und Metallgestaltung; 2004 Deutscher Bauherrenpreis
Gleich ein ganzes Bauprogramm zu besprechen, das ist nicht üblich bei „Best of 90s“. Wo kämen wir denn da hin? Nach Bayern, denn genau hier ging die Verwaltung in den 1990er Jahren ein kalkuliertes Risiko ein. Mit dem Programm „Experimenteller Wohnungsbau“ wurden innovative Projekte gefördert. Dadurch kamen junge Büros zum Zug – und vernetzten sich mit bewährten Gestaltern zu einem ganz eigenen Bautypus. Heute sind diese vielfältigen Wohn- und Siedlungskonzepte (mit Pultdach, Holz- und Farbflächen, mit landschaftstypischen Details wie Fensterläden) außerhalb von Bayern kaum mehr bekannt. Zu Unrecht, denn zur Bauzeit konnten sie reichlich Preise einheimsen. Im Rückblick halten sie manche Lösungen bereit, die zu unseren, ganz aktuellen Fragen passen.

Weilheim in Oberbayern, Wohnbau Paradeis, unter dem Schmetterlingsdach ordneten Fink+Jocher die Familienwohnungen entlang einer „inneren Straße“ (Bilder: Grundriss und Schnitt, Fink+Jocher)
Kosten runter, Qualität hoch
Innerhalb der Modell-Reihe wurde in den 1990er Jahren ein Schwerpunkt beim günstigen Wohnungsbau gelegt. Bei möglichst wenig Kosten sollten in energie- und ressourcensparenden Planungs- und Konstruktionsprozessen möglichst qualitätvolle Häuser entstehen. Je nach Projekt entschieden sich die Architekt:innen für Massiv- oder Holzkonstruktionen, für Neubauten oder Umnutzungen. Herausgreifen lassen sich, pars pro toto, einige der bis 2000 fertiggestellten Objekte, doch die Wirkung dieses Programms sollte bis nach der Jahrtausendwende andauern. Mit dem Wohnquartier Amberg I beispielsweise gestaltete der Architekt Peter Gasteiger (*1960) bis 1999 auf einem Teilareal der ehemaligen Ritter-von-Moehl-Kaserne (1935) insgesamt 32 Wohneinheiten. Im Rahmen des Modellvorhabens „Das bezahlbare eigene Haus“ entstanden zweigeschossige Zeilenbauten mit dreigeschossigen Turmhäusern. Um die Grundrisse an die jeweils individuellen Bedürfnisse anpassen zu können, wurden nur die Außen- und Mittelwände als Kalksandsteinmauerwerk ausgeführt, während die Innenwände nicht tragend blieben. Das Konzept fortschreibend, gestaltete Gasteiger mit dem Wohnquartier Amberg II bis 2000 weitere 20 Niedrigenergiehäuser.
Bei der Verdichtung der Regensburger Damaschkesiedlung stand das Material Holz im Vordergrund. Hier wurden 1996 zwei quaderförmige Bauten mit 30 Wohneinheiten in den Innenhof einer Anlage von 1925 eingefügt. Der Entwurf stammte von einem jungen Münchener Büro, das Dietrich Fink (*1958) und Thomas Jocher (*1952) bereits 1991 gegründet hatten. Schon 1995 wurde nach ihren Plänen der Wohnbau Paradeis im oberbayerischen Weilheim fertiggestellt. Das Konzept von Fink+Jocher hatte sich in einem Preiswettbewerb gegen andere Vorschläge als besonders kostengünstig durchsetzen können. Die Bürogründer hatten an der TU München studiert, zudem konnte Jocher auf die Erkenntnisse aus seiner Dissertation zu bayerischen Angerdörfern zurückgreifen. Beide reüssierten später als Professoren – Fink an den TUs Berlin und München, Jocher an der Universität Stuttgart.

Ingolstadt, Wohnsiedlung Permoserstraße, zwei Häuser von Werner Bäuerle in der Richard-Strauss-Straße 65–81 (Bilder: Brutarchitekt, CC BY SA 4.0, 2020)
Und jetzt alle
Zu den wirkungsstarken Beispielen der Reihe zählt das Siedlungsmodell „permoser“ (erster Bauabschnitt), das ab 1993 in Ingolstadt umgesetzt wurde. Das Rahmenkonzept erstellte das Konstanzer Büro Bäuerle-Lüttin (gegründet von Werner Bäuerle (*1958) und Frohwin Lüttin), innerhalb dessen dann mehrere Architekt:innen ihre individuellen Entwürfe entfalten konnten. An Einzelbauten Bäuerle-Lüttin sind die Häuser in der Richard-Strauss-Straße 65–81 zu nennen. In diesem Straßenzug, der in mehreren Bauabschnitten bis 2015 vervollständigt wurde, finden sich weitere sehenswerte Objekte und klangvolle Namen.
Weitere Bauten und Persönlichkeiten ließen sich nennen. Im Hintergrund wirkte an der TU München etwa Hermann Schröder (1928–2016), der hier bis 1996 den Lehrstuhl Wohnungsbau inne hatte. Um ihn und andere bildete sich ein Netzwerk, das durch die bayerischen Förderprogramme wesentliche Impulse und eine Starthilfe in die erfolgreiche Selbständigkeit erhalten hat. Nicht wenige gingen später selbst in die staatliche Bauverwaltung und nutzten von hier aus wieder das Instrument des Bauprogramms, um neue innovative Impulse weitergeben zu können.
Text: Karin Berkemann, April 2025

Regensburg, Damaschkesiedlung, Verdichtung durch zwei Holzbauten von Fink+Jocher (Bild: Hans100, CC BY SA 4.0, 2016)

Amberg, Wohnquartier I von Peter Gasteiger (Bilder: google-Streetview, 2022)
Wohnmodelle Bayern. Nachhaltig, sozial, zukunftsorientiert, 7 Bd.e, Stuttgart/Zürich/München 1997–2014.
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