Hamburg, Car & Driver, Showroom zur Straße (Bild: Klaus Frahm)
BAU: Car & Driver (seit 1996: MediaMarkt)
ADRESSE: Friedrich-Ebert-Damm 110, 22047 Hamburg-Wandsbek
BAUZEIT: 1990–1991
MITWIRKENDE: brt Architekten (Hadi Teherani), Raderschall Architekten (Wolfgang Raderschall) (Architektur); Prof. Polónyi und Fink (Stefan Polónyi, Herbert Fink) (Tragwerksplanung)
PREIS: Bauwerk des Jahres 1991 (Architekten- und Ingenieurverein Hamburg e. V., AIV), 1996 BDA-Preis Hamburg
Einer wirklichen Architekturikone reichen fünf Jahre, um sich ins Gedächtnis zu brennen: In Hamburg wurde der Oldtimersalon „Car & Driver“ 1991 eröffnet und bereits 1996 wieder geschlossen. Seitdem dient die gewagte Stahl-Glas-Konstruktion dem Elektrohändler „MediaMarkt“ als Zweigstelle. Hinter Flaggen, Folien und Fahrradständern muss man die Baukunst von Hadi Teherani und Wolfgang Raderschall heute schon bewusst suchen und gelegentlich ein Foto von 1991 zur Hilfe nehmen – aber im Kern ist alles noch vorhanden, was den bleibenden Reiz dieses avantgardistischen Showrooms ausmacht.
Hamburg, Car & Driver, Blick in die Innenräume (Bilder: Klaus Frahm)
Upgrade für eine Montagehalle
An der Friedrich-Ebert-Allee, an einer Ausfallstraße im Hamburger Nordosten, sollte 1990 ein Oldtimersalon entstehen – mit ausreichend Fläche zum Schrauben, Verkaufen und Ausstellen. Für das Projekt „Car & Driver“ stand ein trapezförmiges Grundstück zur Verfügung, das nach Westen von Kleingärten und Wohnzeilen, nach Osten von einem kleinen Hochhaus der Nachkriegszeit gerahmt wird. Auf dem Areal mussten bestehende Industriebauten in die Planung einbezogen werden: eine vierschiffige Montagehalle aus den 1970er Jahren und eine nach Norden, zur Straße hin, gewandte Tankstelle.
Die Architekten Hadi Teherani und Wolfgang Raderschall kombinierten für das Projekt Umbau, Abriss und Neubau. Auf die Montagehalle, die bereits in den 1980er Jahren saniert worden war, setzten sie flach geneigte Aluminium-Satteldächer, deren Firstlinien parallel zur Straße verlaufen. An die Stelle der niedergelegten Tankstelle trat der gläserne Showroom, die Visitenkarte nach außen. Beide Zonen verbanden sie über 100 Meter hinweg durch eine Längsachse: Die Kund:innen betreten den Ausstellungsraum von der Straße über den mittigen Haupteingang, den ein hölzerner Steg über einem Wasserbecken und darüber ein roter Metall-Baldachin markieren. Über die Dächer der Hallen hinweg zieht sich diese Linie mit einem Fensterkeil bis in die Tiefe der Anlage.
Hamburg, Car & Driver, Schnitt des Showrooms (links) und Steremoetrie der gesamten Anlage (Bilder: Schnitt und Stereometrie)
Flachglas und Schrauberflair
Vor allem im Showroom wird immer wieder mit der Wahrnehmung der Kund:innen gespielt. Ein- und ausknickende Linien brechen die Symmetrie. So formen die Frontscheiben im Profil nicht nur ein leichtes V nach innen, sondern kippen zusätzlich um 10 Grad nach vorne, um störende Spiegelungen zu vermeiden. Zugleich sorgte der vor der Fassade angelegte, später trockengelegte Wassergraben für angenehme Lichtreflexe. Die Ausstellungsfläche für die Oldtimer wurde hier als Bühne leicht erhöht, in den hinteren Hallen hingegen teils eingetieft. In der ersten Halle hinter dem Showroom pflanzte man seitlich einen Baum unter einem Oberlicht, umrundet von einer sanft gewendelten Treppe zur zweiten Ebene.
Auch technisch suchte man 1991 den Superlativ. Die Architekten beschreiben ihre Konstruktion als bundesweit erste Punkthalterung für Glas: eine, so der Fachbegriff, hängende Planarverglasung mit eingespannten Stützen. Dafür wird jede Scheibe nur an vier Punkten verankert. Die notwendigen abgewinkelten Konsolen sind so eingetieft, dass die Glasoberfläche nach außen nicht gestört wird. Damit verbunden, wirkt jeder der V-förmigen Träger aus Holz und Metall wie ein Bumerang. Dieses statische System hängt wiederum an Stahlmasten und wird untereinander durch Zugstangen stabilisiert. Nach dem Haus-im-Haus-Prinzip wurden in die Hallen zudem zweigeschossige, weiß verputzte Bürobauten eingestellt. Insgesamt mischte sich Schrauberflair (selbst die Werkbänke wurden von den Architekten gestaltet) mit einem Hauch von Erlebnisgastronomie am stählernen Tresen.
Hamburg, Car & Driver, Träger, Masten und Zugstangen der an Punkten verankerten Glasscheiben des Showrooms (Bilder: Klaus Frahm)
Zwischen den Büros
Der damals junge Architekt Hadi Teherani (*1954) lieferte mit „Car & Driver“ seine Visitenkarte ab, die ihm die Tür zu größeren Projekten öffnen sollte – darunter in Hamburg das Lofthaus am Elbberg (brt, 1997) und die Tanzenden Türme (2012) oder die Kranhäuser am Kölner Hafen (brt, 2010). Nach dem Studium in Braunschweig und in Aachen war er zunächst bei Volkwin Marg tätig, bis er eigene Entwürfe umzusetzen begann. Das Projekt des Hamburger Autohauses brachte er 1991 mit ein, als er mit seinen Studienkollegen Jens Bothe (* 1959) und Kai Richter (* 1958) das Büro brt gründete.
„Car & Driver“ entstand in einer Arbeitsgemeinschaft von Therani mit Wolfgang Raderschall (* 1952). Der Architekt hatte nach dem Studium in Hamburg erste Berufserfahrung gesammelt in Hamburg, Hannover und zuletzt in Köln bei Joachim Schürmann. 1989 gründete er mit seiner Frau Ute Bielenberg-Raderschall in Köln ein eigenes Büro. Aus dessen Werkkatalog ist neben Kölner Projekten beispielhaft das Tropenhaus in Hoyerswerda (1998) zu nennen. Für die ambitionierte Tragwerksplanung des Hamburger Autohauses stand der Ingenieurbaukünstler Stefan Polónyi (1930–2021) Pate, hier mit seinem Büropartner Herbert Fink (* 1935). Zudem nennt Teherani für „Car & Driver“ Andreas Jochum als Mitarbeiter.
Hamburg, Car & Driver, Blick in die Hallen mit Büroeinbauten (links) und auf den Showroom (Bilder: Klaus Frahm)
Design und Baukunst
Wenn Teherani sein Frühwerk präsentiert, zeigt er gerne Details der Baugestaltung neben Designmarken von automobilen Klassikern: die V-förmigen Träger des Showrooms neben dem geflügelten Logo von Aston Martin, das Relief des Aluminium-Wellblechs neben dem Kühlergrill eines Rolls-Royce. Dieses Selbstbewusstsein trifft sich mit der Rezeption von „Car & Driver“ in den frühen 1990er Jahren. Die Fachzeitschriften überschlugen sich in Berichten über die stylishe Glas-Stahl-Konstruktion. Und tatsächlich finden sich hier (neben bereits bewährten Motiven wie der Wellblechoberfläche) zahlreiche Formen, die erst in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren Schule machen sollten: von der Punkthalterung der Glasfassaden bis zu den silbrig eingefassten, hellen Holzelementen.
Text: Karin Berkemann, Frankfurt am Main/Greifswald, März 2023
Hamburg, Car & Driver nach der Umnutzung zum MediaMarkt (Bilder: links: Jörg Stiehler, 2023; rechts: Kaddy K., via foursquare, 2020)
Hamburg, Car & Driver nach der Umnutzung zum MediaMarkt (Bilder: Jörg Stiehler, 2023)
Hamburg, Car & Driver nach der Umnutzung zum MediaMarkt (Bilder: Jörg Stiehler, 2023)
Autohaus in Hamburg, in: Deutsche Bauzeitung 126, 1992, 1, S. 14–19.
Autohaus in Hamburg, in: Detail 1993, 5, S. 565–567.
Weiss, Klaus-Dieter, Bothe Richter, Teherani, Basel u. a. 2005.
Hagspiel, Wolfram, Lexikon der Kölner Architekten. Vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Kölnischen Gesichtsvereins e. V. 52), 3 Bd.3, Wien/Köln 2022.
Fotografien von Jörg Hempel von 1991.
Online-Präsenz von Hadi Teherani.
Online-Präsenz von Raderschall Architekten.
Online-Präsenz von Franke & Thomsen.
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