Brand, die CargoLifter-Werfthalle kurz nach ihrer Einweihung (Bild: Stefan Kühn, CC BY SA 3.0, 2001)
BAU: CargoLifter, seit 2004 Freizeitpark „Tropical Islands“
ADRESSE: Tropical-Islands-Allee 1, 15757 Krausnick-Groß Wasserburg (Brand)
BAUZEIT: 1999–2000
MITWIRKENDE: SIAT Bauplanung und lngenieurleistungen (Generalplaner), Arup (Tragwerksplanung)
PREIS: 2000 Aluminium Award
Eine knappe Autostunde südlich von Berlin warten die Tropical-Islands-Allee, die Restaurants Palm Beach und Signapore Tree, die Strandbars Aloah und das Erlebnisbad Amazonia. Was heute als Indoor-Freizeitpark im großen Maßstab dient, wurde 2000 eigentlich als Luftschiffhalle eingeweiht, die wiederum auf einem ehemaligen Militärflughafen im brandenburgischen Nirgendwo verortet war. Mit 363 Metern Länge, 210 Metern Breite und 107 Metern Höhe galt die gewagte Konstruktion seinerzeit als eine der größten freitragenden Hallen überhaupt. Zudem bildete der Bau einen Außenstandort der Expo 2000. Und die langgestreckte Zigarrenform mit silbrig glänzender Membran spielte nicht zuletzt mit der aerodynamischen Ästhetik der 1930er Jahre.
Brand, Tropical Islands, Details aus dem Kuppelsegment der Torseite (Bild: Kallerna, CC BY SA 4.0, 2020)
Vom Flugzeug zum Luftschiff
In Brand, am heutigen Standort der CargoLifter-Halle, hatten die Nationalsozialist:innen bereit 1938 einen Fliegerhorst aufgebaut. Nach Kriegsende zogen die sowjetischen Streitkräfte ein, die das Areal 1990 verließen und 1992 an den deutschen Staat übergaben. Aus der Zeit der militärischen Flughafennutzung sind heute nur noch wenige Spuren zu sehen, darunter Teile der Start- und Landebahnen sowie Überreste der ehemaligen Shelter. In den späten 1990er Jahren stieß das brachliegende Areal auf das Interesse der 1996 gegründeten CargoLifter AG. Sie wollte an die deutsche Luftschifffahrtstradition anknüpfen, die 1937 mit dem Absturz des Zeppelins „Hindenburg“ über New York ein jähes Ende gefunden hatte.
Bevor die Wahl der CargoLifter AG auf den heutigen Standort fiel, hatte man insgesamt 13 Möglichkeiten durchgespielt. Nachdem man schließlich 1998 das Grundstück in Brand erworben hatte, konnten die Planungen konkretisiert, ab 1999 umgesetzt und 2000 fertiggestellt werden. Auf der Halle ruhten zur Jahrtausendwende große Hoffnungen, um in der strukturschwachen Region nachhaltig Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür hatte sich der Bund mit Fördermitteln und einer umfangreichen Bürgschaft engagiert. In der neuen Werfthalle wollte man Luftschiffe bauen, um schwere Frachten zu transportieren. Bis 2003 sollte der Cargolifter (CL) 75 einsatzbereit sein, bis 2005 das Folgemodell CL 160.
Brand, CargoLifter, Längsschnitt und Grundriss (Bilder: Risse)
Ein halber Zylinder und zwei Viertelkugeln
Für die architektonische Gestaltung der Werfthalle zeichnete die Münchener Siemenstochter SIAT verantwortlich, für die Statik konnte das Büro Arup gewonnen werden. An den technischen Details wurde sorgsam gefeilt, indem das Aachener Institut für Industrieaerodynamik (IFI) eigens Tests im Windkanal durchführte. Allein die Ausführungsstatik des ehrgeizigen Projekts hatte man vor Baubeginn viermal prüfend durchgerechnet. Für die Dachhaut kam ein PVC-beschichtetes Polyestergewebe zum Einsatz, das leicht, flexibel und kostengünstig große Flächen überdecken konnte. Die zweilagige, 40.000 Quadratmeter große Membran wurde über fünf halbrunden Stahlbögen aufgespannt. Die Bögen, die ihrerseits durch eine fachwerkartige Struktur versteift wurden, setzte man auf massiven Sockelfundamente. An dieser Stelle konnten zweigeschossige Stahlbetonbauten für Verwaltungsräume eingefügt werden. Sein Tageslicht erhält der Innenraum vor allem durch die großzügig verglaste Südostfassade.
Misst man allein den von Stahlbögen getragenen Halbzylinder, kommt man auf eine Länge von 210 Metern. An den beiden Stirnseiten der Halle sollten je acht Segmente – je zwei von ihnen feststehend – als Tor dienen. Im geschlossenen Zustand formen die Tore je eine Viertelkugel. Um die alltägliche Versorgung zu gewährleisten, wurde zusätzlich ein kleineres Tor an der Nordost-Längsseite eingerichtet. Schon zur Bauzeit rechnete man ob des schieren Gewichts der beiden großen Tormodule mit Verformungen und plante diese als Spielraum mit ein – heute werden die Stirnseiten nicht mehr geöffnet. In dieser Dimension, zudem mit beweglichen Toren dieser Größe, war die CargoLifter-Halle zu ihrer Bauzeit neu und gewagt. Ähnlichkeiten lassen sich allenfalls mit der zeitgleich errichteten Dachkonstruktion des Miller Park Stadiums in Milwaukee ausmachen.
Brand, Tropical Islands, die Illusion eines weiten Horizonts (Bild: Rzuwig, CC BY SA 3.0, 2011)
Ende und Neuanfang
Auf dem Areal finden sich weitere kleinere Bauten der Jahrtausendwende wie eine Energiezentrale und ein Besucherzentrum (in einem der ehemaligen Shelter). Zwei Mastenkonstruktionen für den geplanten Luftschiffverkehr wurden nicht mehr umgesetzt, denn die CargoLifter AG meldete 2002 Konkurs an: Die frisch eingeweihte Halle verlor ihre Existenzberechtigung, die geplanten Luftschiffe kamen nie in Betrieb. Bereits zwei Jahre später konnte in den Bau eine neue Nutzung einziehen: der Indoor-Freizeitpark eines malaysischen Unternehmens, das die Anlage 2019 an einen spanischen Betreiber weiterverkaufte. Bis heute können erholungssuchende Großstädter:innen in Brand zwischen einem naturnahen Bad, einer Übernachtung im Zelt und vielen gastronomischen Angeboten wählen. Die Hallenkonstruktion schützt hier nicht nur vor dem wechselhaften brandenburgischen Wetter, sondern beeindruckt immer noch durch ihre Ingenieursbaukunst. Nicht umsonst wurde die ehemalige CargoLifter-Halle im Jahr 2000 mit dem niederländischen Aluminium Award ausgezeichnet.
Text: Karin Berkemann, Februar 2024
Brand, CargoLifter bzw. Tropical Islands, Details der Hallenkonstruktion, links mit dem CL-75-Lastenballon (Bilder: links und Mitte: Stefan Kühn, CC BY SA 3.0, 2001; rechts: Immanuel Giel, CC BY SA 3.0, 2005)
Brand, Tropical Islands, Blick in die bepflanzte Freizeitlandschaft (Bild: Immanuel Giel, CC BY SA 3.0, 2005)
Brand, Tropical Islands, Blick auf die Halle von Weitem (Bild Assenmacher, CC BY SA 4.0, 2015)
Brand, Tropical Islands, Indoor-Zelten (Bild: Rzuwig, CC BY SA 3.0, 2011)
CargoLifter Airship Hangar. Brand, Brandenburg, Germany, 1997–2000, in: Collis, Hugh, Transport, Engineering and Architecture, Oxford u. a. 2003, S. 218–229.
Bolk, Florian /Dörries, Cornelia, CargoLifter Brand (Die neuen Architekturführer 25), Berlin 2001.
Pasternak, Hartmut u. a., Die Cargolifter-Luftschiffhalle in Brand – zwischen Planung und Ausführung, in: Bauingenieur 75, 2000, S. 209–218.
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