Berlin-Treptow, Twin Towers, Zweiturmfassade am Spreeufer (Bild: Ansgar Korenb, CC BY SA 4.0, 2017)
BAU: Twin Towers
ADRESSE: Fanny-Zobel-Straße 11, 12435 Berlin-Treptow
BAUZEIT: 1997–1998
MITWIRKENDE: Kieferle & Partner (Georg Kieferle, Eberhard Bender, Cornelia Kieferle-Nicklas)
In der Fanny-Zobel-Straße lag 2004 der Sitz des Bösen, genauer gesagt: der Bösen. Denn genau hier hatten die Schurken der ZDF-Telenovela „Wege zum Glück“ ihre Stadtwohnung mit postmodernem Rundfenster. Die markante Silhouette der Berliner Twin Towers am Spree-Uferstand stand in der Serie zeichenhaft für das Karrierestreben der Großstadt. Damit war sie der Gegenpol zum neugotischen Landgut am See, in dem das (natürlich BWL studierende) Dienstmädchen über 224 Folgen hinweg den zaudernden Sohn des Hauses anschmachtete, bis es sich (zwei Todesfälle und eine Explosion später) mit ihm vor dem Traualtar wiederfand. Die Stadtwohnung indes, deren Wert in der Telenovela auf 1,5 Millionen Euro beziffert wurde, ging zurück an die geläuterte Bankiersgeliebte, die in den muskulösen Armen des Gärtners ebenfalls ihr kleines Glück gefunden hatte.
Berlin, Twin Towers, die beiden Türme werden von den zwei Karrees durch eine Straße getrennt (Bilder: links: Turelio, CC BY SA 2.5, 2006; rechts: Axel Mauruszat, CC BY SA 3.0, 2013)
Zwei Türme, zwei Karrees
Als die Telenovela samt Twin Towers zum ersten Mal ausgestrahlt wurde, war das Gebäude gerade einmal sieben Jahre alt. 1997 fertiggestellt, setzt sich das Ensemble aus zwei Teilen zusammen: den Zwillingstürmen und den Karrees. An den Enden eines dreigeschossigen, parallel zum Fluss verlaufenden Querriegels erheben sich die beiden, je 17-geschossigen Türme. Ihre Fassaden werden von einem – mal großzügig verglasten, mal kleinteilig durchfensterten – Quadrateraster überzogen. Wo der Querriegel die Horizontale betont, streben die beiden Türme in die Höhe, um zuletzt wieder eine Art Attika- oder Kranzgeschoss auszubilden.
Zwischen Sockel- und Attikazone wird die jeweilige Außenseite der Türme durch einen flachen halbrunden Erker belebt – ein Motiv, das sich je als Viertelkreis auf den Turmdächern wiederfindet. Den Gebäudeabschluss bilden, beim Querriegel wie bei den beiden Türmen, jeweils ein weit auskragender Sonnenbrechern. Mit 24.000 Quadratmetern Bürofläche (und 280 Tiefgaragenplätzen) und einer hauseigenen Kantine zielen die Twin Towers deutlich auf die Zielgruppe der Medienschaffenden am Osthafen. Die vom Fluss abgewandten Karrees, welche die für Berlin typische Blockrandbebauung neu interpretieren, sind dem Wohnen vorbehalten. Jeweils um einen Innenhof gruppiert, zeigen sie zur Straße abgesetzte gestreifte Sockelzonen und nach oben mehrfach zurückgestaffelte Obergeschosse.
Berlin, Twin Towers, Sonnenbrecher krönen die Türme und den Sockelbau (Bilder: Fridolin freudenfett (Peter Kuley), CC BY SA 3.0, 2012)
Kieferle & Partner
Das Ensemble am Berliner Osthafen liegt im Besitz der Walter-Immobilien EAW Berlin GbR. Den architektonischen Part übernahm 1997/98 das Büro Kiefer & Partner. Gemeinsam mit seinem Studienfreund Karl-Otto Rödl hatte Georg Kieferle (1929–2021) in Böblingen 1958 ein Architekturbüro gegründete. In den 1960er und frühen 1970er Jahren etablierte sich das Duo mit Projekten vor allem in Süddeutschland. Zu ihren Böblinger Bauten zählen u. a. das Wohnhaus A. Kärcher (1968) und der Waldfriedhof (1967). 1975 erhielt das Büro für ihr Verwaltungsgebäude (1972) in Stuttgart-Möhringen (Breitwiesenstraße/Handwerkstraße) den Paul-Bonatz-Preis. Es folgten 1981 der baden-württembergische BDA-Preis (Hugo-Häring-Preis) und der Europäische Architektur- und Stahlbaupreis.
Mit der Wirtschafts- und Ölkrise Mitte der 1970er Jahre orientierte man sich neu und übernahm Großaufträge im arabischen Raum. 1989 trennten sich die Wege der beiden Büropartner, nun nutzte Kieferle die Aufbaujahre nach der Wiedervereinigung mit einem neuen Standort in Berlin. Neben dem Twin-Towers-Projekt konnte in Deutschland beispielsweise 1992 der Stuttgarter Bülow-Turm umgesetzt werden. Mit den 2000er Jahren wurde unter der Leitung der Gründertochter Cornelia Kieferle-Nicklas ein weiterer Standort in Dubai eröffnet, der die Familientradition der Großprojekte im arabischen Raum fortsetzt.
Berlin, Twin Towers, Bauarbeiten und Fertigstellung, 1997/98 (Bilder: privat, via ebay)
Weiterbauen an der Skyline
Aus Frankfurter Perspektive mischen sich am Treptower Spreeufer 1998 die Eleganz des Messeturms (1990) und die Extravaganz des Kronenhochhauses (1993). Der Name Twin Towers selbst verweist auf die großen Vorbilder in New York und hat erst durch den Anschlag von 9/11 einen traurigen Beiklang gewonnen. Vom Fluss aus rechts gesehen bietet ein ehemaliger Omnibusbahnhof heute viel Raum für kulturelle Veranstaltungen. Und links der Twin Towers wächst gerade ein neuer Zacken für die Berliner Skyline in die Höhe, das ehrgeizige Hotel- und Wohnhaus-Projekt „Fanny-Zobel-Straße“. Nach dessen Fertigstellung werden die markanten Zwillingstürme um drei weitere Hochhäuser ergänzt werden.
Text: Karin Berkemann, April 2024
Berlin, Twin Towers, Silhouette am Spree-Ufer (Bild: Axel Mauruszat, CC BY SA 3.0, 2013)
Berlin, Twin Towers, Blick in die Tiefe (Bild: svenwerk, CC BY NC ND 2.0, via flickr, 2007)
Hermann, Rainer, Nach Dubai in die Selbständigkeit, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. April 2009.
Kieren, Martin (Bearb.), Neue Architektur. New Architecture, Berlin 1990–2000, hg. vom Förderverein Deutsches Architektur Zentrum Berlin, Berlin 1997, S. 266–267.
Rödl-Kieferle. Bauten und Projekte seit 1958, Böblingen 1983.
Schönball, Ralf, Mit der Stadt ist das so eine Geschichte, in: Tagesspiegel, 12. Oktober 1998.
Online-Auftritt des Büros Kieferle & Partner.
Online-Auftritt der Immobilie Twin Towers.
Zu Bildrechten nach Creative Commons informieren Sie sich bitte online über die entsprechenden Bestimmungen.