BAU: Gewerbeschule Durlach
ADRESSE: Grötzinger Straße 83, 76227 Karlsruhe
BAUZEIT: 1991–1994
ARCHITEKT: Mahler Gumpp Schuster (Günster Fuchs), Stuttgart
PREIS: 1997 Hugo-Häring-Preis
Die 1990er waren das Jahrzehnt der Bäumeumarmer:innen, zumindest in der Baukunst. Mit wachsender Freude erzählten Architekt:innen damals bei der Preisverleihung, wie sie ihre Entwürfe sensibel um das bestehende Grün herum entwickelten. Auch historisches Mauerwerk wurde gerne sichtbar einbezogen und durch gläserne Fugen mit dem Neuen verklammert. In Durlach waren es die alten Römer, die dem Bau der Gewerbeschule im Weg standen – auf dem geplanten Standort Rand des Karlsruher Stadtteils fand man unerwartet die Überreste eines römischen Kastells. Teile davon wurden freigelegt und für Interessierte zugänglich gemacht. Dafür rutschte der Schulbau kurzerhand ein Stück weiter nach Nordosten. Am Ende hatten alle etwas davon, denn das Architekturbüro Mahler Gumpp Schuster machte aus der Not 1994 eine sehenswerte Tugend. So präsentiert sich der aufgeständerte Schulbau heute, von viel Grün umgeben, wie eine edle freigestellte Skulptur in illustrer Nachbarschaft.
Der erste eigene Schulbau
Die Gewerbeschule Durlach gilt als die älteste ihrer Art in Deutschland. Schon 1767 begründete Markgraf Karl Friedrich die Architektonische Zeichenschule, der mit der Zeit weitere Berufsausbildungen zuwuchsen und die als Keimzelle der heutigen Einrichtung gilt. In den folgenden Jahrhunderten sollte die Institution mehr als einmal ihren Standort wechseln. Seit 1832 trägt die Einrichtung den heutigen Namen Gewerbeschule, seit 1938 gehört sie gemeinsam mit dem Ort Durlach zur Stadt Karlsruhe.
Doch erst 1989/90 wurde in einem Wettbewerb über den ersten eigenen Schulbau entschieden. Das Stuttgarter Büro Mahler Gumpp Schuster konnte das Rennen mit dem ersten Preis für sich entscheiden. Die Bauarbeiten wurden 1991 aufgenommen, der Schulbetrieb startete am 22. August 1994. Heute umfasst die Gewerbeschule Klassen- und Werkstatträume für verschiedene Ausbildungsgänge: die Berufsschule für Ernährung und Hauswirtschaft sowie Technik, ein Berufsvorbereitungsjahr in den Bereichen Ernährung und Hauswirtschaft, Metalltechnik, Holztechnik, Dienstleistungen und EDV-Anwendungen sowie das Berufskolleg für Wirtschaft und Technik.
In Hanglage
Für den Neubau wählte man einen Standort am Ortsrand von Durlach. Nordwestlich der Grötzinger Straße, die den Stadtteil erschließt, fällt der Baugrund zu einer Talsenke hin ab. Der insgesamt dreigeschossige Baukörper wurde gekonnt auf die Hanglage hin komponiert. Nach Nordosten und nach Südwesten, zur Talsenke hin, öffnet sich jeweils ein aufgeständerter langgestreckter Riegel mit großen Glasfronten zur umgebenden Natur. Das darunterliegende, leicht eingerückte Zwischengeschoss ruht auf den breit gelagerten Werkstatträumen, die ihr Licht über drei Atriumshöfe erhalten. Zur Straße, zum Haupteingang hin, werden die beiden Riegel durch eine dreigeschossige gläserne Halle miteinander verbunden.
Der insgesamt 30.000 Kubikmeter umfassende Baukörper verbindet moderne Materialien wie Stahl, Glas und Sichtbeton mit natürlichen Baustoffen, wie die Holzlamellen an den Riegeln zur Straße hin. Viele Details, vom Hauptzugang über einen Steg bis hin zu einzelnen Armierungen, rufen Assoziationen an den Schiffsbau wach. Das Ensemble wurde 1997 mit dem Hugo-Häring-Preis ausgezeichnet. Im Innenhof finden sich drei Glasstelen, ein Werk des Stuttgarter Künstlers Rüdiger Tamschik.
Das Architektenteam
Die Gewerbeschule Durlach bildet ein Spätwerk des Stuttgarter Büros Mahler Gumpp Schuster, das gegen Ende eine Schnittfläche mit dem Büro Mahler (Armin) Günster (Hartmut) Fuchs bildete. Der Senior unter den Mitwirkenden, Klaus Mahler (1940–2011), arbeitet nach seinem Studium in Stuttgart zunächst bei Kammerer und Belz. Damit sammelte er Erfahrungen in einem Büro, das ab Mitte/Ende der 1960er Jahre an zahlreichen städtebaulichen und öffentlichen Großprojekten im süddeutschen Raum beteiligt war.
Auf einen Lehrauftrag in Köln folgte für Mahler seine Tätigkeit in Karlsruhe, wo auch seine beiden späteren Büropartner Rolf Schuster (*1953) und Rainer Gumpp (*1954) als wissenschaftliche Mitarbeiter tätig waren. 1994/95 löste sich das Büro auf und die Protagonisten gründeten eigenen Büros in wechselnden Partnerschaften. Doch blieben alle an verschiedenen Orten der universitären Lehre verbunden. Zu den bekanntesten Werken von Mahler Gumpp Schuster zählen die Blendstatthalle in Schwäbisch Hall (1985–1989) und die Erweiterung der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart (1987–1994).
Zurück auf Klassisch
So wie die beteiligten Architekten zwei Generationen angehörten, schlägt die Gewerbeschule Durlach eine Brücke zwischen scheinbar konträren Strömungen der späten 1980er und frühen 1990er Jahre. Die Idee des ökologischen Bauens, das Rücksicht und Durchblicke auf die umgebende Landschaft gewährleisten will, wird teils in fast technoide Materialien übersetzt. Auch die eingesetzten Naturstoffe erhalten durch die klare Linienführung des Entwurfs eine eher unsentimentale Anmutung. Was in den beiden aufgeständerten Riegeln wie ein Rückbezug auf den Internationalen Stil daherkommt, wird im verbindenden Glaskeil, vor allem aber an der Gebäuderückseite mit den Treppen- und Laufstegen sehr viel dekorfreudiger, fast noch postmodern interpretiert. Damit glückt dem Schulbau eine subtile Balance zwischen streng und verspielt, funktional und naturnah.
Text: Dr. Karin Berkemann, moderneREGIONAL, 2021
Galerie
Literatur und Links
Förster, Katja, Gewerbeschule Durlach, auf: stadtlexikon.karlsruhe.de, 2015.
Gewerbeschule Durlach
Gewerbeschule Durlach, Wettbewerb 1989, auf: gruettner-architekten.de. Gewerbeschule in Durlach, in: Kieser, Clemens u. a. (Bearb.), Kulturdenkmale in Karlsruhe von 1950 bis 2000 – heute und morgen. Ein Ausstellungsprojekt des Architekturschaufensters und des Landesamts für Denkmalpflege, Karlsruhe o. J., S. 11.
Gewerbeschule in Durlach, auf: inspiration.detail.de (Detail 4, 1995).
gh2-architekten (ehemals Mahler, Gumpp, Schuster), Karlsruhe
MFG (Mahler Günster Fuchs) Architekten, Stuttgart
Schuster Architekten, Düsseldorf
aktuelle Bilder (soweit nicht anders angegeben): Cordula Schulze, 2021.
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