Flöha, Samuel-von-Pufendorf-Gymnasium, Pausenhof (Bild: Stefan Müller-Naumann)
BAU: Samuel-von-Pufendorf-Gymnasium und Dreifachturnhalle
ADRESSE: Turnerstraße 16, 09557 Flöha
BAUZEIT: 1993–1996
MITWIRKENDE: Allmann, Sattler, Wappner (Markus Allmann, Amandus Sattler, Ludwig Wappner) (Architektur); Hubert Wendler (Landschaftsarchitektur); Obermeyer Albis-Bauplan GmbH, A. Hagl Ingenieurgesellschaft mbH (Tragwerksplanung); R+R Fuchs (Fassadenplanung)
PREISE: 1997 Architekturpreis Beton (Lobende Erwähnung), 1997 Deutscher Architekturpreis
Das Samuel-von-Pufendorf-Gymnasium in Flöha bei Chemnitz will scheinbar Unvereinbares zusammenbringen: Über der zuvor ungestörten Auenlandschaft schwebt seit 1999 ein Neubau, in dessen Mitte sich auf dem Pausenhof viele Jugendliche unterschiedlicher Herkunft begegnen. Für dieses Schulzentrum wählte das damals junge Münchener Büro „Allmann, Sattler, Wappner“ die Urform des Kreises, der vier Meter über dem Erdboden aufgeständert wurde. Neben den gläsernen Ring stellten die Architekten einen aufgefächerten Quader: die Dreifachturnhalle. Das Ensemble gilt Architekturfreund:innen heute als junger Klassiker des Schulbaus.
Flöha, Samuel-von-Pufendorf-Gymnasium (links) und Dreifachturnhalle im Modell (Bild: Stefan Müller-Naumann)
Von Flöha nach Stockholm
Am westlichen Rand der Ortschaft, wo die Flüsse Zschopau und Flöha eine Auenlandschaft ausbilden, sollte mit der deutschen Wiedervereinigung – so 1990 der Beschluss des Kreistags – ein neues Gymnasium entstehen. Aus dem Architekturwettbewerb von 1992 ging das Münchener Büro Allmann, Sattler, Wappner mit dem ersten Preis hervor und erhielt den Auftrag. 1993 starteten die Bauarbeiten, die 1996 in die feierliche Eröffnung des Schulzentrums mündeten.
Seinen Namen erhielt das Schulzentrum vom Juristen, Historiker und Philosophen Samuel von Pufendorf (1634–1692) und stellte sich damit bewusst in die Tradition einer europäisch gesinnten Aufklärung. Der Pfarrerssohn verbrachte Teile seiner Kindheit in Flöha, bevor er zur Schule nach Grimma und zum Studium nach Leipzig wechselte. Seine Laufbahn als Haus- und Hochschullehrer führte ihn über Kopenhagen nach Heidelberg und Stockholm und zuletzt nach Berlin. Kurz vor seinem Tod wurde er in den Freiherrenstand erhoben.
Flöha, Samuel-von-Pufendorf-Gymnasium, Fluchtbalkone und Sonnenbrecher an der Außenseite des Rings (Bilder: Stefan Müller-Naumann)
Der gläserne Ring
Auf einem kreisrunden Grundriss erhebt sich ein schmaler Ring mit einem Durchmesser von 68 Metern, in den nach Norden der Hauptbau auf trapezförmiger Grundfläche eingeschoben wurde. Mit Ausnahme dieses Zusatzes bleibt das Erdgeschoss durchbrochen: Zwei Reihen schlanker Rundstützen rahmen den mittigen Pausenhof und tragen die beiden Obergeschosse. Im Süden sind darin Klassenzimmer untergebracht, im Norden hingegen Fachräume, Lehrerzimmer und Verwaltung. Zum Hof öffnet sich der Einschub durch eine schräge Glasfläche. Auch die Innenseite des Rings ist vollständig, jedoch flach verglast. Nach außen, hier vor allem nach Süden, liegen größtenteils Fluchtbalkone und Sonnenbrecher vor den Fenstern. Zusätzlich wurden die Scheiben hier zumeist keramisch bedruckt, um die Räume nicht zu überhitzen.
Im Norden überwindet eine großzügige Eingangs- bzw. Pausenhalle eindrücklich die Trennung zwischen der luftigen Stützenzone und den beiden aufgeständerten Obergeschossen. Die Freitreppe wird durch die seitliche Glasschräge und das Oberlicht in Szene gesetzt. Im Südosten ist dem Schulring noch die Dreifachturnhalle zur Seite gestellt, die bis zu 1000 Zuschauer:innen fassen kann. Die architektonische Grundform des Quaders wird dafür nach Norden hin mehrfach abgetreppt.
Flöha, Samuel-von-Pufendorf-Gymnasium und Dreifachturnhalle (Bilder: Lageplan und Grundriss)
Drei Partner
Das Gymnasium in Flöha gilt als Durchbruch des damals jungen Münchener Büros Allmann, Sattler, Wappner, das in den ersten Jahren vor allem in den neuen Bundesländern punkten konnte. Zunächst hatten sich 1987 Markus Allmann (* 1959) und Amandus Sattler (* 1957) zusammengefunden, bis 1993 Ludwig Wappner (* 1957) als Partner dazustieß. 2021/22 schied wiederum Sattler aus – aktuell beschäftigt allmannwappner rund 150 Mitarbeiter:innen. Alle drei Büropartner übernahmen neben ihrer Entwurfstätigkeit jeweils (inter-)national Lehraufträge. Für Flöha werden als Mitarbeitende genannt: Robinson Pourroy, Karin Hengher, Susanne Rath, Kilian Jockisch und Anita Moum.
In den späten 1990er Jahren machte sich das Büro international einen Namen durch öffentliche Bauten. Als eines dieser Hauptwerke gilt die 2000 geweihte Herz-Jesu-Kirche in München, deren gläserner Quader sich mit großen Toren zum Vorplatz hin öffnen lässt. Ab 2005 übernahm Allmann, Sattler, Wappner beispielsweise die architektonische Leitplanung der Audi-Autohäuser. Neben renommierten Einzelbauten und internationalen Projekten ist das Büro in den vergangen Jahren auch durch seine Platzneugestaltungen im Gespräch, darunter der Münchener Marienplatz und Teile des Umfelds des Kölner Doms.
Flöha, Samuel-von-Pufendorf-Gymnasium (Bilder: Stefan Müller-Naumann)
Ein junger Klassiker
Das Samuel-von-Flöha-Gymnasium im sächsischen Flöha bedeutete nicht nur für das junge Architekturbüro Allmann, Sattler, Wappner den Durchbruch, das Ensemble avancierte auch rasch zum jungen Klassiker des bundesdeutschen Schulbaus. 1997 erhielt das Projekt den Deutschen Architekturpreis und eine lobende Erwähnung beim Architekturpreis Beton. Der naturnahe Ansatz des gläsernen aufgeständerten Schulrings setzt sich im landschaftsarchitektonischen Konzept von Hubert Wendler fort, das den Wasserkreislauf für die Schüler:innen erlebbar macht. Dafür wird das Regenwasser von den Dächern durch die Bepflanzung und eine Hebeanlage in zwei Rückhaltebecken inszeniert, um es und schließlich in den Fluss Zschopau überzuleiten.
Text: Karin Berkemann, Frankfurt am Main/Greifswald, März 2023
Flöha, Samuel-von-Pufendorf-Gymnasium und Dreifachturnhalle (Bild: Stefan Müller-Naumann)
Flöha, Samuel-von-Pufendorf-Gymnasium (Bild: Stefan Müller-Naumann)
Wessely, Heide, Gymnasium in Flöha (1996), in: Detail, 24. Januar 2010.
Gymnasium, Flöha D 1996, in: Schittich, Christian u. a., Glasbau. Atlas, hg. vom Institut für internationale Architektur-Dokumentation, München 2006, 2. Auflage, S. 320–321.
Allmann, Markus/Sattler, Amandus/Wappner, Ludwig, Dreifachsporthalle in Flöha bei Chemnitz, in: Spindler, Edmund A. (Bearb.), Die Turnhalle der Zukunft. Praxisbeispiele und Perspektiven von umweltgerechten und multifunktionalen Sportstätten, hg. vom Westfälischen Turnerbund e. V. und von der „Initiative Sport und Umwelt“, Heidelberg 2000, S. 153–164.
Gymnasium mit Dreifachturnhalle, Flöha/Sachsen (1995), in: Weihnacht, Felix (Bearb.), Landschaftsarchitekten. Landscape Architecture in Germany, Bd. 1, Wiesbaden 1997, S. 112.
Mütter, Katharina, Glasring auf Stützen. Gymnasium und Dreifachsporthalle in Flöha, Sachsen, in: Bauwelt 16, 1996, S. 946–951.
Online-Präsenz des Samuel-von-Pufendorf-Gymnasiums in Flöha.
Online-Präsenz des Büros allmannwappner.
Online-Auftritt von Amandus Sattler.
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