Bremerhaven, Historisches Museum, Treppenaufgang zum Museumscafé (links) und zur Ausstellung (Bilder: Lorena Pethig, 2024)
BAU: Historisches Museum
ADRESSE: An der Geeste, 27570 Bremerhaven
BAUZEIT: 1988–1991/99
ARCHITEKT: Bendig, Wessels und Partner (Wolfgang Bendig)
„Ein Museum ist für alle“ lautete das Motto, als man in Bremerhaven in den 1980er Jahren einen Neubau für das Morgenstern-Museum plante. Bereits im späten 19. Jahrhundert vom (noch sorglos patriarchisch benannten) „Heimatbund der Männer vom Morgenstern“ begonnen, konnte die umfangreiche Sammlung des 1906 eröffneten Museums mit attraktiven Schwerpunkten aufwarten: in der Frühgeschichte, in der Volks- und Naturkunde sowie in der Schifffahrtsgeschichte. Ein Teil der Sammlung ging in den 1970er Jahren an das Deutsche Schifffahrtsmuseum, das 1975 ein neues Haus bezog. In den frühen 1980er Jahren wiederum beschloss die Stadtverordnetenversammlung für das Morgenstern-Museum, dass es – um die Geschichte und Entwicklung Bremerhavens zu dokumentieren – künftig die Funktion eines Historischen Museums übernehmen sollte. Dieses erhielt von 1988 bis 1999 einen Neubau mit einer ausreichend großen Präsentationsfläche für sein innovatives Ausstellungskonzept.
Bremerhaven, Historisches Museum, Schaufassade zur Geeste (Bild: Lorena Pethig, 2024)
Am Ufer
Am südlichen Ufer der Geeste, zwischen der Alten Geestebrücke und der Kennedy-Brücke, diente ein Grundstück als Bauplatz, auf dem sich seit der Nachkriegszeit ein unansehnliches Konglomerat aus Schuppen und Baracken befand. Vor der Gründung des Geestemünder Fischereihafens im 19. Jahrhundert hatten hier, nahe der Wesermündung, die Kutter angelegt, wo der Fang zu versteigert oder weiterverarbeitet werden konnte. An der alten Fischkaje standen daher die ersten Fischhallen an der Unterweser – für die Hafenstadt also ein historisch bedeutsamer Ort. Am Fuß des östlichen Brückenkopfes der Alten Geestebrücke erinnert das sog. Busse-Denkmal im Stil des Backsteinexpressionismus noch heute an den Beginn der Hochseefischerei.
Zur Neugestaltung des Uferabschnitts (samt Museumsneubau) schrieb die Stadt Bremerhaven 1986 einen regionalen Architekturwettbewerb aus. In die nähere Auswahl kamen zwei Entwürfe, die beide besondere Rücksicht auf die historische Umgebung nahmen. Den Zuschlag erhielt schließlich das Büro Bendig, Wessels und Partner aus Nordenham, für die Pläne zeichnete Wolfgang Bendig (*1941) verantwortlich. Der Neubau startete 1988, die feierliche Eröffnung des ersten Teilabschnitts (ein Fünftel des Gesamtbaus) konnte bereits am 30. August 1991 begangen werden. Bis zur kompletten Einrichtung der Dauerausstellung in allen Abteilungen sollten allerdings noch acht Jahre vergehen.
Bremerhaven, Historisches Museum, Torfbrandklinker treffen auf violette Fensterrahmen (Bild: Lorena Pethig, 2024)
Torfbrandklinkermauerwerk
Das Museumsgebäude erstreckt sich mit einer zweigeschossigen, über 100 Meter langen Schaufassade entlang des Geesteufers. Alle Außenwände zeigen Mauerwerk aus einem Klinker, der im Torfbrand in der Ziegelei Nenndorf hergestellt wird. Durch das besondere Sinterverfahren erhalten die Steine hier eine unregelmäßig gefärbte, keramische Oberfläche und charakteristische Verformungen. Ein berühmtes Bauwerk mit vergleichbarem Mauerwerk ist das Hamburger Chilehaus (1924). Dessen Architekt Fritz Höger (1877–1949) hatte 1936 auch das Busse-Denkmal am Brückenkopf der Alten Geestebrücke entworfen, für das ebenfalls Torfbrandklinker verwendet worden waren.
Durch das Torfbrandklinkermauerwerk schuf Bendig eine visuelle und haptische Verbindung zwischen dem Historischen Museum und seiner geschichtsträchtigen Umgebung. Das Farbspektrum der Fassaden reicht von Gold über Rotbraun und Lila bis Anthrazit. Durch Auswölbungen und hervorstehende Kanten im Verbund bilden die Klinker zudem eine plastische, unregelmäßige und damit lebendige Oberfläche.
Bremerhaven, Historisches Museum, im Vordergrund eine Sitzbank, die den Verlauf der Geeste nachstellt, im Hintergrund der Haupteingang (Bild: Lorena Pethig, 2024)
Spät-postmodern
Neben einem ästhetisch gestalteten Sichtmauerwerk wartet das spät-postmoderne Museumsgebäude mit weiteren Blickfängen auf: An erster Stelle sind die Fenster- und Türrahmen zu nennen, die in einem fröhlichen, aber unerwarteten Violett daherkommen. Bendig wählte den Farbton als Kontrast zum eher dunklen Mauerwerk: Von allen bemusterten Farben hatte das Violett am besten mit den Klinkersteinen harmoniert. Der Haupteingang des Historischen Museums liegt in der nördlichen Stirnseite, integriert in die konvex geschwungene und stark zurückspringende Glasfront des Erdgeschosses. An dieser Stelle überfängt das Obergeschoss zugleich den Eingangsbereich – die weit auskragende Ecke ruht auf einem gedrungenen Rundpfeiler.
Auf dem Vorplatz (errichtet über einem großen Regenrückhaltebecken) steht eine lange, gekurvte Sitzbank in Violett. Schaut man genauer hin, blickt man von oben auf den Platz, stellt die Bank den mäandernden Verlauf der Geeste vor der Einmündung in die Weser nach. Daneben markieren Betonbodenplatten die einst selbstständigen Unterweserstädte Lehe, Geestendorf und Bremerhaven. Mit fünf verglasten Dreiecksgiebeln verweist der hintere Gebäudeteil auf die historische Struktur der giebelständigen Fischhallen. Im Süden des Museums befindet sich außerdem eine große Ausstellungshalle für voluminöse Maschinen, die durch eine Glasfront von der Uferpromenade aus erkennbar sind.
Das Motiv des Wassers war dem Architekten Bendig beim Historischen Museum besonders wichtig. Nicht nur passte er die Flucht des Gebäudes an den Lauf der Geeste an, auch im Inneren finden sich immer wieder Wasserinstallationen. An der von der Uferpromenade abgewandten Seite, zwischen Ostfassade und Deich, schuf Bendig einen Innenhof als Herzstück der Anlage. Hier richtete er Wasserspiele ein und bevölkert sie durch „Wasserwesen“, durch Steinskulpturen der Bildhauergruppe der Hochschule Bremen.
Bremerhaven, Historisches Museum, Wasserlauf mit bildhauerisch gestalteten Wasserspeiern im Innenhof (Bild: Lorena Pethig, 2024)
Für alle
Das Historische Museum zielte nicht nur auf das Bildungsbürgertum, sondern auf Menschen aus allen Schichten. Entsprechend spielten innovative Ausstellungskonzepte mit Schauarrangements und interaktiven, häufig multimedialen Stationen eine große Rolle. Dieser offenen, einladenden Aufgabe der Museumsarchitektur kommt auch das Gebäude am Geesteufer nach. So wirkt der Haupteingang als – natürlich violette – Drehtür besonders niederschwellig, indem sich die kleinformatige Vorplatzpflasterung im Segmentbogenverband unter der Glasfront hindurch bis ins Foyer durchzieht.
Die Erdgeschoss-Ausstellungsfläche gleicht einer Straße mit Klinkerpflaster, während die geschwungenen Linien der Obergeschoss-Galerien auf zwei Ebenen an die Flussufer erinnern. Da Architektur und Ausstellungskonzept Hand in Hand gingen, präsentieren sich beide bis heute wie aus einem Guss. Im Obergeschoss ist das Museumscafé straßenseitig als halbrund geschwungene Glasfront mit Balkon deutlich sichtbar. Für die Laufkundschaft wurde etwas später eine einladende Treppe ergänzt, die von der Uferpromenade direkt zum Cafébalkon führt.
Text: Lorena Pethig, Landesamt für Denkmalpflege Bremen, April 2024
Bremerhaven, Historisches Museum, Wasserspeier im Innenhof (Bild: Lorena Pethig, 2024)
Bremerhaven, Historisches Museum, Fassadendetail (Bild: Lorena Pethig, 2024)
Bremerhaven, Historisches Museum, Wasserspeier im Innenhof (Bild: Lorena Pethig, 2024)
Bremerhaven, Historisches Museum, Zuweg zum Haupteingang (Bild: Lorena Pethig, 2024)
Bremerhaven, Historisches Museum, Fassadendetail (Bild: Lorena Pethig, 2024)
Bremerhaven, Historisches Museum, Drehtür des Hauptzugangs mit dem sich von außen nach innen durchziehenden Pflasterbelag (Bild: Lorena Pethig, 2024)
Bremerhaven, Historisches Museum, Gestaltungsdetails (Bild: Lorena Pethig, 2024)
Bremerhaven, Historisches Museum, Haupteingang (links) und Ausstellungsfläche (Bild: Lorena Pethig, 2024)
Bremerhaven, Historisches Museum, Ausstellungsfläche (Bild: Lorena Pethig, 2024)
Bremerhaven, Historisches Museum, Magazingebäude, einige Meter flussabwärts vom Museumsgebäude gelegen, 1999 fertiggestellt nach Entwürfen des Architekten Wolfgang Ehlers (Bild: Lorena Pethig, 2024)
Aschenbeck, Nils, Eine rot-blaue Wand an der Geeste, in: Weser-Kurier, 24. Mai 1991, S. 9.
Benscheidt, Anja/Kube, Alfred, Morgenstern-Museum. Konzeption, Ausstellung, Architektur, Bremerhaven 1992.
Benscheidt, Anja/Kube, Alfred, Historisches Museum Bremerhaven. Morgenstern-Museum. Das etwas andere Museum (Historisches Museum Bremerhaven. Kleine Schriften 4), Bremerhaven 1999.
Gabke, Harry u. a., Bremerhaven in zwei Jahrhunderten, 3. Band, 1948–1991, Bremerhaven 1995, S. 163, 212–213.
Online-Auftritt des Historischen Museums Bremerhaven.
Die Verfasserin dankt Wolfgang Bendig und Dr. Kai Kähler (Historisches Museum Bremerhaven) für ihre freundliche Unterstützung.
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