BAU: Interhotel Belvedere, ab 1992: Hilton Hotel, ab 2007: Hotel Leonardo
ADRESSE: Belvederer Allee 25, 99425 Weimar
BAUZEIT: 1986–1992
ARCHITEKT:INNEN: Achim Felz, Institut für Städtebau und Architektur der Bauakademie der DDR (Gebäudeentwurf); Hartmut Strube, Betriebsteil Weimar der Industrieprojektierung Erfurt im Bau- und Montagekombinat Erfurt (bautechnische Bearbeitung)
Schon beim Namen wird es kompliziert: Erbaut als „Interhotel Belvedere“, kurz danach übernommen von der Hilton-Kette, gehört der Bau heute zur Leonardo-Gruppe. Unter Weimar-Tourist:innen gilt eigentlich das „Elephant“ am historischen Markt als erste Adresse, immerhin ließ der Schriftsteller Thomas Mann hier Goethe nächtigen. Doch wer sich keines der dortigen Gästezimmer leisten kann (oder den Charme der späten DDR-Architektur sucht), verlässt die Altstadt am besten gen Südosten durch den Park an der Ilm. Nach einer guten Viertelstunde Fußweg – vorbei an Goethes Gartenhaus, kurz vor der Universitätssporthalle – trifft man in der Belvederer Alle auf das „Leonardo“. Dieser postmoderne Hotelkomplex steht auf geschichtsträchtigem Boden, auf dem im 18. Jahrhundert die Falkenburg von Herzog Ernst August I. lag. Als Ergänzung zu Weimars erstem Interhotel, dem „Elephant“, wurde hier zwischen 1986 und 1992 ein zweites Tagungs- und Gästehaus gebaut, speziell für Devise-Tourist:innen, eigentlich.
Berlin, Bauausstellung, Modell des Hotels Belvedere Weimar, 24. Juli 1987 (Bild: Jürgen Blobelt, CC BY SA 4.0)
Der Geschichte gegenüber
Für dieses Prestigeprojekt wurden von der „Generaldirektion Interhotel DDR“ Mitte der 1980er Jahre gleich mehrere Wettbewerbe organisiert: für die Fassaden und für die Ausstattung. Unter den Prämierten für den Innenausbau nennt die Literatur Namen wie Karlheinz Wendisch (*1939) und Anita Bach. In der Zeitschrift „Architektur der DDR“ wurden 1989 Innenentwürfe des Betriebsteils Meiningen des VEB Innenprojekt Halle publiziert (Günter Heubach, Hannelore Grimm, Hans-Joachim Müller, Richard Tautz, Friedhilde Schellenberg). Für seinem Fassadenentwurf wurde Achim Felz (*1933) ausgewählt, damals tätig am Institut für Städtebau und Architektur der Bauakademie der DDR. Dieser zeichnete auch für die Gestaltung der letzten großen Bauausstellung der DDR im Jahr 1987 verantwortlich. Auf der Berliner Schau war das Modell des „Interhotel Belvedere“ zu sehen – es wird bis heute, wenn auch erst auf dem Weg zu den Parkplätzen, im Leonardo gezeigt.
In der Ausführung – der bautechnische Part lag bei Hartmut Strube vom Betriebsteil Weimar der Industrieprojektierung Erfurt (Bau- und Montagekombinat Erfurt) – hielt man sich detailliert an das Entwurfsmodell. Strube gründete 1973 ein Planungsbüro für den Baubetrieb Gesellschaftsbau Buttstädt, ab 1982 Außenstelle des Bau- und Montagekombinat Erfurt. Dort war man u. a. am Erfurter Hotel Kosmos (heute Radisso Blu) beteiligt und entwickelte 1978 eine eigene Variante des Deckenhubverfahrens. Diese Technik kam auch in Weimar zum Einsatz, als der Betriebsteil Weimar 1985 den Auftrag erhielt. Die Fassade wurde aus „oberflächenfertigen Fertigteilen“ nach dem Entwurf von Achim Felz montiert. Damit stand kurz vor der deutschen Einheit bereits die bauliche Hülle.
Weimar, Hotel Hilton bzw. Leonardo Hotel, Foyer mit Zwillingstreppe (Bilder: links: historische Postkarte, rechts: leonardo-hotels.de)
Zwischen den Fronten
Allein schon durch die Wahl des Namens, angelehnt an ein barockes Lustschloss, sollte das Projekt zu DDR-Zeiten durch historische Bezüge geadelt werden. Als Devisenhotel hätten sich hier ausschließlich West-Tourist:innen ein Zimmer buchen können. Entsprechend warb man um 1989 mit einer breiten, allerdings noch nicht realisierten Raum- und Angebotspalette: drei Restaurants (inklusive vegetarischer Kost), Bierclub, Hallenbar, Poolbar, Café, drei Salons, Bankett- und Kongresszentrum, Übersetzungsdienst, Sauerstoff-Therapie, Schwimmbad, Sauna, Solarium, Whirlpool, Massage, Friseur, Kosmetik, Shops, Souvenirs, Parkplatz, Parkhaus, Wagenpflege, Werkstatt, „Behindertenzimmer“ und Kinderbetreuung. Doch mit der deutschen Einheit erfolgte erst einmal der Baustopp.
Vor Ort war das Hotelprojekt bereits Mitte der 1980er Jahre umstritten, wobei die geplante Ausgrenzung der DDR-Bürger:innen ein Rolle gespielt haben mag. Schon 1986/87 machten die Arbeiten an der Baugrube, deren Aushub in der Karstlandschaft bei Schloss Belvedere verfüllt wurde, das Ausmaß greifbar. Hier sollte ein beachtliches Bauvolumen in eine sensible Umgebung eingefügt werden: gegenüber einer historischen Parkanlage, inmitten einer locker durchgrünten Wohnsiedlung des frühen 20. Jahrhunderts. Wie die Historikerin Katja Müller herausgearbeitet hat, wurde damals deutlich Kritik geübt. „Der Leiter des Aktivs [für Denkmalpflege], der sich auch im Kulturbund engagierte, prangerte auf einer Veranstaltung des Kulturbundes den Neubau als ‚peinliche[s] Prestige und Propaganda-Objekt‘ an.“ Angeregt durch den damaligen Generalkonservator, wurde auf höchster Ebene appelliert, „Standort und Kubatur des Neubaus noch einmal zu überprüfen“.
Betriebsteil Meiningen des VEB Innenprojekt Halle, Interhotel Perspektive Bankettsaal, Entwurf (Bildquelle: Architektur der DDR 1989, 10)
Ein Hauch große weite Welt
Nachdem die Holzmann AG den Bau übernommen hatte, wurde das Nutzungskonzept angepasst. Statt eines personalintensiven Devisenhotels entstand ein wirtschaftlicher organisiertes Viersterne-Haus. Entsprechend wurde aus dem geplanten Personaltrakt ein (vermietetes) Bürogebäude. Im Hotelbereich verlegte man den Schwerpunkt von einer ausgedehnten Gastronomie hin zu einem intensiven Tagungsbetrieb. Die bereits eingebrachte Haustechnik wurde vollständig ersetzt und das Foyer mit Zwillingstreppe innenarchitektonisch überplant. Wo der Weg „An der Falkenburg“ auf die Belvederer Allee trifft, präsentiert sich der Hotelkomplex heute auf einem U-förmigem Grundriss. Zur Straßenecke hin staffelt sich das natursteinverkleidete Ensemble empor zu einer fünfgeschossigen Fassade, die nochmals durch ein Mansarddach mit zwei Fensterreihen und weitere Aufbauten bekrönt wird. Durch die eingeschossige Vorhalle, unter einer aufgewölbten Glastonne, betritt der Gast das Hotel über das großzügige Foyer. Hier führt eine elegant geschwungene Zwillingstreppe, in deren Mitte ein beleuchtetes Wasserspiel sprudelt, zu den Zimmern in den oberen Etagen.
In der Architektur erinnern vielen Details an zwei fast zeitgleiche Interhotelbauten in Berlin und Dresden, die später ebenfalls vom Hilton übernommen wurden: das Domhotel am Gendarmenmarkt (Roland Korn, Bernd Seidel, 1990) und der Dresdner Hof an der Frauenkirche (Walter Lewin, Werner Bauer, Manfred Zumpe u. a., 1990). Beide Standorte liegen im Stadtzentrum, wo man parallel (im Sinne einer Kritischen Rekonstruktion) an der Wiederherstellung historischer Straßenzüge arbeitete. In Weimar hingegen begnügte man sich mit einer eher losen Anbindung an die Geschichte in einer grünen Stadtrandlage. Was alle Beispiele verbindet, ist das Spiel mit historischen Vorbildern – oder mit dem, was man für die Erwartungshaltung westlicher Tourist:innen hielt. Und dieses Konzept geht bis heute auf – hier fühlen sich die Gäste an die Zeit der mondänen Grandhotels und Passagierdampfer zurückversetzt.
Text: Karin Berkemann, Frankfurt/Greifswald, Januar 2022
Literatur und Links
Brünenberg, Stefanie, Achim Felz: Entwurf zur Gestaltung der Bauausstellung 1987 (Fund des Monats 5), auf: ddr-planungsgeschichte.de, August/September 2020.
Fröhlich, Jörg, Ein Hotel im Lustgarten von Potsdam. Das Interhotel Potsdam in historischer Umgebung von 1967 bis heute, Norderstedt 2015, 3. Auflage, S. 30.
Wüllner, Katja, Hinter der Fassade – Das institutionelle System der Denkmalpflege in der DDR untersucht am Beispiel der thüringischen Städte Erfurt, Weimar und Eisenach, Dissertation, TU Cottbus-Senftenberg, 2015, S. 139.
Barth, Holger, Achim Felz (Art.) und Karlheinz Wendisch (Art.), in: ders. u. a. (Hg.), Vom Baukünstler zum Komplexprojektanten. Architekten in der DDR. Dokumentation eines IRS-Sammlungsbestandes biographischer Daten (REGIOdoc 3), Erkner 2000, S. 74, 249.
Belvedere Allee (Art.), in: Günther, Gitta u. a. (Hg.), Weimar. Lexikon zur Stadtgeschichte, Weimar 1998, S. 39.
Leben nach dem Tod. Weimar, das Klassikerdorf in Thüringen, sucht im Vergangenen sein Glück – wieder einmal, in: Der Spiegel 37, 1992, S. 268–273.
Müller, Hans-Joachim, Innengestaltung für das Hotel „Belvedere“ in Weimar. Eine Auswahl aus den Entwurfsvorlagen, in: Architektur der DDR 1989, 10, S. 23–26.
Leonardo Hotel Weimar, auf: leonardo-hotels.de.
Herzlichen Dank an Hartmut Strube für die Erläuterungen zur Bauzeit, an Christopher Nickol und Marco Dziallas für Detailinformationen zur Wettbewerbsausschreibung.
Titelmotiv: Weimar, Hilton Hotel (Bild: © R.Möhler, CC BY SA 3.0, 2005). Für den Bildnachweis in der Galerie klicken Sie bitte auf das jeweilige Bild, eine Abbildung stammt von Chris Vandenbroucke via flickr, zu Bildrechten nach Creative Commons informieren Sie sich bitte online über die entsprechenden Bestimmungen.