BAU: WDR-Arkaden
ADRESSE: Breite Straße 6, 50667 Köln
BAUZEIT: 1994–1996
ARCHITEKT:INNEN: Gottfried Böhm, Elisabeth Böhm, Peter Böhm
Fast 30 Jahre kreiste der Westdeutsche Rundfunk (WDR) mit allerlei Planungen um ein Grundstück in zentraler Lage: In der Kölner Altstadt, zwischen Nord-Süd-Fahrt (Tunisstraße) und Breite Straße, hatte sich der Sender schon 1968 große Flächen für seinen kommenden Raumbedarf reserviert. Doch immer wieder verwarfen die Verantwortlichen das Projekt auf der Suche nach einer „runden Sache“, so der damalige WDR-Verwaltungschef Hans Bucholz rückblickend. Erst im Oktober 1993 starteten die vorbereiteten Ausgrabungsarbeiten, ein Jahr später folgte die Grundsteinlegung und schließlich 1996 die Einweihungsfeier. Keinem Geringerem als dem Pritzker-Preisträger Gottfried Böhm gelang – gemeinsam mit seinem Sohn Peter und seiner Frau Elisabeth – diese Quadratur des Kreises: Er verschränkte den städtischen Raum mit dem Bürozentrum des Senders und gab beiden mit viel Transparenz und Bonus-Kunstwerken das Gefühl, bei dieser Verbindung zu gewinnen.
Köln, WDR-Arkaden, Ecke Breite Straße/Auf der Ruhr (Bild: © Raimond Spekking, CC BY SA 4.0, 2018)
Zehn Geschosse
Die auf dem Grundstück befindlichen Privathäuser, die WDR-Kantine und ein Parkplatz sollten nun endgültig durch einen Neubau ersetzt werden. Nach kostspieligen eigenfinanzierten Projekten wie dem Düsseldorfer Sendehaus suchte der WDR für Köln ein günstigeres Modell. Daher entschied man sich, mit einem Investor zusammenzuarbeiten. Der Sender mietete die schlüsselfertige Anlage von der Züblin Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH, teilte sich die Anlage mit weiteren Nutzer:innen und erhielt die Option, das Ensemble nach einer Frist von 20 Jahren zu erwerben. Als Gottfried Böhm 1991 die Planungen aufgenommen und 1992 den Auftrag erhalten hatte, konkretisierte sich rasch ein kompaktes Ensemble, das öffentliche und halböffentliche Funktionen verbinden sollte.
Über zehn Geschosse hinweg, davon sieben über- und drei unterirdisch, erstrecken sich rund 21.000 Quadratmeter Nutzfläche: Studios, Schnittplätze, Kantinen-, Büro- und Archivräume des WDR sowie öffentlich zugängliche Läden und Restaurants. Auf einem längsrechteckigen Grundriss wendet sich das Ensemble nach Osten mit einem hohen Riegel gegen die stark befahrene Tunisstraße. Nach Süden, zur Breiten Straße hin, werben die WDR-Arkaden mit zwei markante Portalbauten um die Passant:innen. Im Südosten, an der Ecke Tunisstraße/Breite Straße, stapeln sich die Geschosse wie Container übereinander. Eine andere Lösung wählte man im Südwesten an der Ecke Breite Straße/Auf der Ruhr, wo sich ein großes Rundbogenmotiv öffnet.
Köln, WDR-Arkaden, Ecke Tunisstraße/Elstergasse (Bild: © Raimond Spekking, CC BY SA 4.0, 2018)
Corporate Identity
Noch während der Bauarbeiten entschied sich der neue WDR-Intendant Fritz Pleitgen, sein Büro in die repräsentativen Arkaden zu verlegen. Mit einer Politik der offenen Türen wollte man hier demokratische Transparenz zeigen. Diese programmatische Verschränkung mit dem Außenraum erinnert an einen früheren Entwurf von Gottfried Böhm, an das gläserne Züblinhaus (1984) in Stuttgart. Doch in Köln werden die Besucher:innen von den beiden prominenten Eckbauten zunächst durch engere Ladenpassagen ins Innere geschleust, bis sich der Lichthof im Zentrum mit einer zylindrischen Kuppel öffnet.
Die Architekturhistorikerin Eva Devasi sieht eine weitere Parallele: Als Unternehmenslobby funktionieren demnach die WDR-Arkaden genauso wie das Sony-Center (2000, Helmut Jahn) in Berlin. Man steigert den Publikumsverkehr durch eine aufsehenerregende Architektur und attraktive Zusatznutzungen – und hebt somit zugleich das Image der eigenen Marke. In Köln bringt z. B. die Deutsche Post als Mieterin mehr Leben in das Ensemble des Senders. Der WDR verstärkt diesen Effekt noch, indem er nach außen plakativ mit der beliebten „Maus“ wirbt (zunächst als Aufblasfigur, heute als Leuchtreklame) und in einem Shop Devotionalien rund um die Rundfunkanstalt anbietet.
Köln, WDR-Arkaden, Lichthof (Bilder: Xavier de Jaureguiberry, 2021, via flickr)
Natur aus Blech
Wie es für Gottfried Böhms Bauten typisch ist, schöpft er alle Gattungen der bildenden Kunst aus. Im Mittelpunkt der öffentlich zugänglichen Passage, im Lichthof, plante er ursprünglich einen realen Baum – am Ende wurde es aus pragmatischen Gründen dann doch eine schlanke stählerne Brunnenskulptur in changierender Farbgebung. Der Architekturkritiker Manfred Sack erkannte in diesem Kunstwerk Motive aus Ahorn, Ginko und Falter. Auch die WDR-Kantine rahmte Böhm durch stilisierte Motive der Kommunikation: Auf den Fenstern durchbrach er ein grafisches Raster, das z. B. an die Frankfurter Bahnzentrale (Stephan Böhm, 1993) erinnert, mit Magnetfeldmustern. Auf ähnliche Weise markierte er den Boden vor und die Beschriftung zur Kantine. Das Motiv der sich weitenden Ringe findet sich nach außen auch in einem der Portalbauten, an dem Radiowellen als blaue Neonröhren um Aufmerksamkeit werben.
Um die verschachtelte Struktur des Gebäudes einzuordnen, wird gerne der Stil des Dekonstruktivismus herangezogen. Gottfried Böhm selbst erklärte seine Formfindung, wenn überhaupt, lieber durch die städtebaulichen und funktionalen Erfordernisse: Er musste zwischen einem benachbarten Hochhaus und der kleinteiligeren Altstadt vermitteln und zugleich gute Voraussetzungen für eine moderne Arbeitsatmosphäre zwischen Gespräch und Rückzug schaffen. Dafür markierte er die Funktionsbereiche durch unterschiedliche Materialien von Stahl über Glas bis zu Sichtbeton, Letzterer wurde am gesamten Gebäude rostrot gefasst. In Teilen wurde selbst die Möblierung von Gottfried Böhm entworfen.
Köln, WDR-Arkaden, Lichthof (Bilder: Xavier de Jaureguiberry, 2021, via flickr)
„Erfrischend“
Neben seinem Sohn Peter (*1954) arbeitete Gottfried Böhm (1920–2021) für die WDR-Arkaden auch mit seiner Frau, der Architektin Elisabeth (1921–2012) zusammen. Ihrem Einfluss sollte die Architekturhistorikerin Ute Eichhorn später den „‚erfrischend‘ dekonstruktivistischen Charakter“ des Ensembles zuschreiben, der sonst für das Büro Böhm ungewöhnlich sei. In der rheinischen Architekt:innendynastie, die auf den Kirchenbaumeister Dominikus Böhm (1880–1955) zurückgeht, sind solche gegenseitigen Bezugnahmen nicht ungewöhnlich – erinnern doch viele Details des Kölner Ensembles an den Bau eines weiteren Böhm-Sohns, an Stephan Böhms Frankfurter Bahnzentrale.
Text: Karin Berkemann, Frankfurt/Greifswald, Januar 2022
Literatur und Links
Devasi, Eva, Themenlobby. Repräsentationsräume der gewerblichen Großarchitektur, in: Berkemann, Karin (Hg.), Das Ende der Moderne? Unterwegs zu einer Architekturgeschichte der 1990er Jahre, Berlin 2021, S. 66-75.
WDR-Arkaden, auf: structurae.net.
Böhm, Gottfried u. a., WDR-Arkaden. Büro- und Geschäftshaus Köln, hg. in Zusammenarbeit mit dem Westdeutschen Rundfunk, Köln 1997.
Kantzow, Peer A., Chancen der Stadtreparatur. Untersucht an den Planungen Gottfried Böhms für die Kölner WDR-Arkaden und deren städtebauliches Umfeld, Dissertation, Universität Köln, 2007.
Eichhorn, Ute, Architektinnen. Ihr Beruf. Ihr Leben, Berlin 2013, S. 29.
Titelmotiv: Köln, WDR-Arkaden, Ecke Tunisstraße/Breite Straße (Bild: Elke Wetzig, CC BY SA 3.0, 2009). Für den Bildnachweis in der Galerie klicken Sie bitte auf das jeweilige Bild, in der Galerie finden sich weitere Motive aus flickr von Jaqueline Poggi und Xavier de Jaureguiberry, zu Bildrechten nach Creative Commons informieren Sie sich bitte online über die entsprechenden Bestimmungen.