Puchheim, Kulturzentrum, Ostseite zur Grünfläche hin (Foto: : Bernhard Friese für Lanz Architekten)
BAU: Kulturzentrum
ADRESSE: Oskar-Maria-Graf-Straße 2, 82178 Puchheim
BAUZEIT: 1997–1999
MITWIRKENDE: Lanz Architekten und Ingenieure (LAI, Peter Lanz mit Benno Bauer) (Architektur); Mayr, Ludescher und Partner (Tragwerksplanung)
PREIS: 1999, Internationaler Techtextil-Preis der Messe Frankfurt; 2000, Balthasar-Neumann-Preis (engere Wahl)
Eine Dachhaut, die das lichte Innenleben durchschimmern lässt – diese Idee hatte es dem Gemeinderat angetan. Damit konnte der Münchener Architekt Peter Lanz 1994 den Wettbewerb um das neue Puchheimer Bürgerhaus und Kulturzentrum, an dem insgesamt 64 seiner Berufskolleg:innen teilgenommen hatten, für sich entscheiden. Wie eine transluzente Membran wollte er ein Gewebe über einen langgestreckten Veranstaltungssaal ziehen. Am Ende war sein Konzept den bayerischen Behörden dann doch zu gewagt. Die hörbaren Geräuschen und die durchscheinende Helligkeit könnte nach 22 Uhr die Nachbarschaft stören, so die Einwände der beauftragten Gutachten. Was blieb, war ein zwar opakes, aber nicht minder formvollendetes Dach, das Peter Lanz wie ein geblähtes Segel über dem Kulturzentrum Puchheim aufspannte.
Puchheim, Kulturzentrum, Westseite zur Auferstehungskirche hin (Foto: Bernhard Friese für Lanz Architekten)
Zwei Seiten
Südwestlich der Puchheimer Altstadt, wo die Maria-Graf-Straße auf die Allinger Straße trifft, erstreckt sich das Kulturzentrum auf einem längsrechteckigen Grundriss von 60 Metern Länge und rund 20 Metern Breite. Die Stahlbetonkonstruktion birgt für insgesamt 800 Menschen einen Saal, der bei Bedarf in drei Räume unterteilbar ist, der zudem über eine Bühne und eine Empore verfügt. Ergänzt wird das Ensemble um einen Vorbau mit Foyer, Garderobe, Restaurant, Büro- und Veranstaltungsräumen. Die Kernzone umfängt die notwendige Infrastruktur von Kühlräumen bis zu Aufzügen.
Die beiden Längsseiten des Kulturzentrums reagieren jeweils auf ihre Nachbarschaft: Nach Westen, zur Maria-Graf-Straße und zur gegenüberliegenden evangelisch-lutherischen Auferstehungskirche hin, zeigt der Bau eine senkrecht aufgehende Fassade aus Glas- und Lärchenholz-Oberflächen. Dem gegenüber öffnet sich das Kulturzentrum nach Osten, zur angrenzenden Grünfläche hin, in einer gläsernen Front. Hier gehen die Wölbungen der Dachmembran organisch in ein wellenförmiges Gelände über, das unter sich eine Tiefgarage mit rund 70 Stellplätzen birgt.
Puchheim, Kulturzentrum (Bild: Schnitt)
Peter Lanz und Co.
Die das Kulturzentrum prägende Dachhaut liegt auf acht, sich nach oben spreizenden Binder-Paaren aus Brettschichtholz. Selbst wenn die Membran satte 1000 Quadratmeter überdacht und rund eine Tonne schwer ist, fällt dies statisch kaum ins Gewicht. Denn das Gewebe ist auf Zug gespannt, sodass darunter nur schlanke Stützen notwendig sind. Auch die Wände haben meist keine tragende Funktion. Der Bau ist an das kommunale Fernwärmenetz angeschlossen und mit einer Fußbodenheizung ausgestattet.
Als Bauherrin trat die Kommune auf, die den Architekten Peter Lanz (* 1930) mit dem Kulturzentrum beauftragte. Der gebürtige Berliner hatte nach Kriegsende in München Architektur studiert. Zunächst arbeitete er bei Peter Ruf an der dortigen Technischen Universität, um 1958 sein eigenes Büro in der bayerischen Landeshauptstadt zu gründen. Bereits 1972 machte er mit dem „Restaurant Süd“ im Rahmen der Olympischen Spiele in München einen Namen gemacht. Für das Kulturzentrum Puchheim wurde Lanz in seinem Büro LAI (Lanz Architekten und Ingenieure) unterstützt durch Benno Bauer als Projektleiter sowie Ralf Dietz, Jörg Pottrick, Egon Tremi und Ralf Wagenblast.
Puchheim, Kulturzentrum, Saal (Foto: Bernhard Friese für Lanz Architekten)
Ein Dach, viele Schichten
Um wärme- und schallgedämmt wirken zu können, setzt sich die Dachhaut aus mehreren Lagen zusammen: Die Außenmembran ist beschichtet mit Polytetrafluorethylen (PTFE, besser bekannt als Telfon). Darunter stellt ein Drahtnetz sicher, dass dieser Dachaufbau hinterlüftet werden kann. Es folgen eine Mineralfaserdämmung und eine Dampfsperre auf Distanzgewebe mit einer schalldämpfenden Quarzsandfüllung. Danach sorgt ein Seilnetz für die Stabilität der Binder. Und zuletzt schließt eine – wieder PTFE-beschichtete – Membran die Dachhaut nach innen ab. Schon 1999 erhielt diese ambitionierte Konstruktion den Internationalen Techtextil-Preis der Messe Frankfurt. Heute wird die gewölbeähnliche Dachmembran gerne durch Lichteffekte besonders in Szene gesetzt.
Text: Karin Berkemann, Frankfurt am Main/Greifswald, August 2023
Puchheim, Kulturzentrum, Aufsicht (links) und Schnitt durch das Gewebe (von oben nach unten): 1) Außenmembran (PTFE-beschichtetes Glasfasergewebe); 2) Drahtnetz; 3) Mineralfaserdämmung; 4) Dampfsperre und Distanzgewebe mit Quarzsand-Dämmung; 5) Seilnetz; 6) Innenmembran (PTFE-beschichtetes Glasfasergewebe)
Puchheim, Kulturzentrum, Westseite (Bild: Puchheimer Kulturcentrum PUC © Oliver Jaist, 2016)
Puchheim, Kulturzentrum, Verankerung der Spannseile (Foto: Bernhard Friese für Lanz Architekten)
Puchheim, Kulturzentrum, illuminierte Ostseite (Bild: Puchheimer Kulturcentrum PUC © Oliver Jaist, 2016)
Puchheim, Kulturzentrum, Aufgang ins Obergeschoss (Foto: Bernhard Friese für Lanz Architekten)
Puchheim, Kulturzentrum, Westseite (Bild: Puchheimer Kulturcentrum PUC © Oliver Jaist, 2016)
Puchheim, Kulturzentrum, illuminierte Ostseite (Bild: Puchheimer Kulturcentrum PUC © Oliver Jaist, 2016)
Capol, Jan, Das gewobene Gewölbe. Puchheim/München. Bauen mit Textilien, in: Hochparterre 13, 2000, 1/2, S. 46–47.
Kulturzentrum, Puchheim, in: Hausladen, Gerhard (Hg.), Innovative Gebäude-, Technik- und Energiekonzepte, München 2001, S. 132–141.
Bauporträt auf der Website des Ingenieurbüros Mayr, Ludescher und Partner.
Bauporträt auf der Website des Puchheimer Kulturcentrums (PUC).
Bauporträt auf der Webseite des Büros Lanz Architekten.
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