Kolkwitz, CoTEC-Pyramiden (Bild: Trio3D, CC BY SA 4.0, 2019)
BAU: CoTEC-Pyramiden (heute I.T.R.Pyramids)
ADRESSE: Am Technologiepark 1, 03099 Kolkwitz
BAUZEIT: 1993–1995
MITWIRKENDE: Horst Kettler, Bochum (Architektur)
In Cottbus hat man Erfahrung mit Pyramiden. Zwei von ihnen setzte der reisefreudige Landschaftsarchitekt Hermann Fürst von Pückler-Muskau ab 1850 in seinen Branitzer Park – eine ans Ufer, eine in die Mitte des dortigen Sees. Dabei dienten sie nicht nur der Orientbegeisterung und dem Repräsentationsbedürfnis ihres Schöpfers, sondern auch als Grabmale des Ehepaars. Im brandenburgischen Kolkwitz, unweit von Cottbus hingegen, waren die Ausgangsbedingungen 1993 weitaus weniger romantisch, denn hier wollte man ein ehemaliges Militärgelände der Nationalen Volksarmee (NVA) neu erschließen. Bis 1995 entstand auf dem Areal eine gestufte Doppelpyramide, die mit Büro-, Seminar- und Werkstatträumen als Technologiezentrum ausgerüstet wurde. Und während sich die Pückler’schen Erdpyramiden längst zum beliebten touristischen Ziel gemausert haben, gelten die Kolkwitzer Bauten unter Architekturfans bislang noch als Geheimtipp.
Kolkwitz, CoTEC-Pyramiden, Hauptzugang von Südosten (Bild: Trio3D, CC BY SA 4.0, 2019)
Hinter dem Bunkermuseum
Hinter der Pyramiden-Adresse „Am Technologiepark 1“ verbirgt sich ein geschichtsträchtiger Standort. Hier lag zu DDR-Zeiten der Gefechtsstande 31 der 1. Luftverteidigungsdivision der NVA. Von dieser Herkunft zeugt noch ein Bunker aus dem Jahr 1967, der heute von einem Verein als Museum geöffnet wird. In direkter Nachbarschaft, an die Stelle der ehemaligen soldatischen Unterkunftsbaracken, eröffnete man 1995 das neue Technologiezentrum. Dessen zwei schneeweiß verkleidete Pyramiden verfügen je über einen eigenen Lichthof sowie über Büro- und Seminarräume auf vier Etagen. An der Schnittstelle dieser beiden Schwerpunkte wird das Ensemble von Südosten erschlossen: mit dem Haupteingang unter einem vorkragenden aufgeständerten Vorbau. Nach Nordwesten sind zwei zweistöckigen Werkstatthallen angegliedert.
Die Stufenpyramiden wirken, als habe man sie aus Würfeln aufgestapelt, die Werkstätten hingegen erstrecken sich lagernd in die Breite. Alle Gebäudeteile werden durch drei Bügel zusammengehalten, die sich an den Pyramidenspitzen überkreuzen, während zwei von ihnen im Nordwesten über den Hallen als weit auskragende Strebewerke auslaufen. Im sog. CoTECHNO-Park wurde der Komplex nach seinem Bauherrn benannt: CoTEC, für die 1991 begründete Cottbuser Technologie- und Entwicklungs-Centrum GmbH. Sie hatte sich zum Ziel gesetzt, die regionale Wirtschaft zu fördern, den Austausch zwischen Ökonomie und Technik anzuregen und damit den Strukturwandel nach der Wiedervereinigung voranzutreiben. Als die Flächen der CoTEC in Cottbus dafür nicht mehr ausreichten, expandierte sie ins nahegelegene Kolkwitz. In den Pyramiden bezogen einige Forschungseinrichtungen der BTU (Brandenburgischen Technischen Universität) Cottbus und Teile des Fraunhofer Instituts ihre neuen Räume.
Kolkwitz, CoTEC-Pyramiden (Bild: Grundriss, Erdgeschoss)
Ingenieurbaukunst
Für Planung und Ausführung des Ensembles zeichnete der Bochumer Architekt Dipl.-Ing. Horst Kettler (1948–2015) verantwortlich. Ob er für Kolkwitz eine Parallele zu den Pückler’schen Pyramiden beabsichtigt hat, lässt sich nur vermuten. Die räumliche Nähe, die Einbettung in ein als Park benanntes Gelände, die Koppelung zweier Bauten und die spezielle gestufte Form machen es zumindest wahrscheinlich. Um 1990 waren Pyramiden weltweit ein durchaus beliebtes architektonisches Motiv – von der edlen Variante (1989) am Pariser Louvre bis zum eventlastigen Luxor-Casinohotel (1993) in Las Vegas. Doch während solche Projekte meist mit Glast-Stahl-Konstruktionen auftrumpften, gab Kettler seinem Entwurf mit weißen Oberflächen und mintfarbenem Sonnenschutz einen ingenieurmäßig pragmatischen Touch, der ganz seiner Zielgruppe entsprach.
In jedem Fall sollten die CoTECH-Pyramiden Aufsehen erregen und eine Ortsbindung begünstigen. Immerhin war auch die Kommune Kolkwitz (niedersorbisch Gołkojce) erst 1993 in der Fusion ehemals eigenständiger Gemeinden gebildet worden und suchte entsprechend noch nach einem Profil. Mit diesem imagebildenden Bau warb CoTEC um junge Existenzgründer:innen aus der Bio- und Umwelttechnik sowie aus der Verarbeitungstechnik für neue Werkstoffe. In den Pyramiden sollten Wissenschaftler:innen und Unternehmer:innen gleichermaßen eine hilfreiche Infrastruktur vorfinden, um sich ganz auf das Fortkommen in ihrer Arbeit konzentrieren zu können. Später verschob sich der Schwerpunkt auf Mieter:innen aus der Telekommunikations- und Medientechnik sowie aus der Elektro- und Automatisierungstechnik.
Kolkwitz, CoTEC-Pyramiden, Entrée und Lichthof (Bilder: Hardy Zobel, via google-Maps, 2020)
Standortvorteil
2002 wurde das Insolvenzverfahren der CoTEC eingeleitet, in der Folge wechselten die Pyramiden ihren Besitzer. Heute vermietet eine Berliner Immobilien-AG die Räume an Industriebetriebe und Entwicklungsgesellschaften, als Büro- und Schulungsflächen. Unter dem Namen I.T.R.Pyramids wird das Objekt über seine besondere Bauform beworben. Hinzu kommen die Argumente einer guten Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr, an das Straßen- und Glasfasernetz – nicht zu vergessen: ausreichend Parkplätze.
Text: Karin Berkemann, Frankfurt am Main/Greifswald, Mai 2023
Kolkwitz, CoTEC-Pyramiden, Blick auf die Werkstatthallen im Nordwesten (Bild: Trio3D, CC BY SA 4.0, 2019)
Kolkwitz, CoTEC-Pyramiden (Bild: Trio3D, CC BY SA 4.0, 2019)
Kolkwitz, CoTEC-Pyramiden, Beschilderungen in der Corporate Identity (Bilder: Stefan, CC BY NC ND 2.0, via flickr, 2007)
Kolkwitz, CoTEC-Pyramiden (Bild: Trio3D, CC BY SA 4.0, 2019)
Kolkwitz, CoTEC-Pyramiden (Bild: Trio3D, CC BY SA 4.0, 2019)
Online-Präsenz der I.T.R.Pyramids.
Zu den Bildrechten nach Creative Commons informieren Sie sich bitte online über die entsprechenden Bestimmungen.