BAU: Rechenzentrum der L-Bank (Landeskreditbank Baden-Württemberg – Förderbank)
ADRESSE: Markgrafenstraße/Kreuzstraße, 76133 Karlsruhe
BAUZEIT: 1989–1992
ARCHITEKT: Heinz Mohl, Karlsruhe
WV 181 – in einer Mischung aus begründetem Selbstbewusstsein und akribischem Ordnungswillen hat der Architekt Heinz Mohl (* 1931) für seine Oevre selbst Nummern verteilt. Diese Systematik wurde vom SAAI (Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau) 1998 übernommen, als man den Mohl’schen Vorlass aufbereitete. Demnach trägt das Rechenzentrum der L-Bank in Karlsruhe, errichtet von 1989 bis 1992, die Signatur WV (Werkverzeichnis) 181. Dahinter verbirgt sich ein städtebaulich gut ausbalancierter, mit feinen architekturhistorischen Zitaten gespickter und im besten Wortsinn vielschichtiger Entwurf, der sich stilistisch am Ende der Postmoderne verorten lässt.
Auch mit den Sprossenfenstern am Rechenzentrum der Karlsruher L-Bank zieht Mohl eine zweite Ebene ein (Bild: Karin Berkemann, 2021)
In der Reihe tanzen
Ein neues Eckgebäude in eine bestehende Straßenzeile einzufügen, verlangt ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl. Im Süden der Karlsruher Altstadt, zwischen dem kreisrunden Rondellplatz und dem dreieckigen Lidellplatz, wo die Markgrafen- und die Kreuzstraße aufeinander treffen, errichtete man von 1989 bis 1992 das Rechenzentrum der Landeskreditbank Baden-Württemberg. Auf einem L-förmigen Grundriss schichtete Mohl dafür vier Geschosse und darüber noch einmal bis zu zwei Ebenen in den Dacherkern. Damit reiht sich das Rechenzentrum organisch in die umgebende, zumeist historistische Bebauung ein. Durch eingezogene Rundbalkone und kolonadenartige Wandpfeiler wird die strenge Fassadenordnung wiederum gekonnt aufgelockert.
Fast alle Gestaltungselemente – von der Lochfassade bis zu den insgesamt sieben würfelförmigen Dacherkern – gehen auf das Viereck zurück. Konstruktiv handelt es sich beim Rechenzentrum um einen zweischaligen hinterlüfteten Mauerwerksbau aus hellgrauen Betonsteinen. Auch gestalterisch, vom eingestellten Glaszylinder am ‚Eckturm‘ bis zu den vorgeblendeten anthrazitfarbenen Fenstersprossen – macht Mohl immer wieder eine zweite Ebene auf und vermeidet so ein allzu starres Quadratraster.
Einem Grundstein gleich, setzt Mohl auch im Rechenzentrum der L-Bank in Karlsruhe sein Signet in das Betonstein-Mauerwerk (Bild: Karin Berkemann, 2021)
In und für Karlsruhe
Geboren in Hechingen, ging Heinz Mohl für das Architekturstudium an die Technische Hochschule Karlsruhe. Zu seinen prominentesten Lehrern zählten dort Egon Eiermann und Otto Haupt. Beim Letzteren war er am Lehrstuhl als Assistent tätig. In der Folge wechselte Mohl immer wieder zwischen Hochschule und öffentlichem Dienst. Bis Mitte der 1960er Jahre arbeitete er für die staatliche Bauverwaltung, zuletzt als Regierungsbaumeister, um 1967 als Assistent von Werner Dierschke an die TH zurückzukehren und bis zum stellvertretenden Leiter des Lehrstuhls für Gebäudelehre und Entwerfen aufzusteigen. 1974 zog es ihn schließlich an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, wo er bis 1996 als Professor für Architektur und Design wirkte.
Für Heinz Mohl wählt man in der Fachliteratur gerne der Vergleich mit den Stadtbaumeistern Heinrich Hübsch (1795-1863) und Friedrich Weinbrenner (1766-1826). Was sie teilen, ist die Vorliebe für das Spiel mit historischen Formen und die Prägekraft, die sie in Karlsruhe entfaltet haben. Nach ersten bemerkenswerten Wohnbauten erlebte Mohl seinen Durchbruch in Freiburg: Für das dortige Kaufhaus Schneider (1975) wurde er mit dem Deutschen Architekturpreis geehrt. In den 1980er Jahren konnte er in Karlsruhe zahlreiche Neubauprojekte im historischen Umfeld verwirklichen – darunter die Heinrich-Hübsch-Schule (1985), ausgezeichnet mit dem Hugo-Häring-Preis. Das hier gefundene Gestaltungsprinzip, eine geometrische Großform durch postmoderne Versatzstücke aufzubrechen, wiederholte er in einer ruhigeren Gangart in seinem Spätwerk.
Mit vorkragenden Betonplatten spielt Mohl auf klassische Architekturmotive an (Bild: Karin Berkemann, 2021)
Italien mit anderen Mitteln
Als eines der Mohl’schen Hauptwerke kann die Umgestaltung der Karlsruher Kunsthalle (1990) gelten, bei der er unterschiedliche Stile und Bauglieder elegant zu vernetzen wusste. Doch so zurückhaltend er dabei eigene Zusätze gestaltete, so erkennbar sind sie an den historischen Zitaten wie dem Palladio-Motiv. Denn in seiner gesamten beruflichen Laufbahn war Mohl mit der Kulturlandschaft Italien verbunden. Schon in den späten 1950er Jahren hatte ihn ein Stipendium nach Florenz geführt – und 1987/89 wohnte er als Ehrengast in der Villa Massimo in Rom. Zeitweise verlegte er seinen zweiten Lebensmittelpunkt neben Karlsruhe nach Caviano in der italienischen Schweiz. Entsprechend finden sich in den Mohl’schen Bauten viele Verweise vor allem auf die italienischen Renaissance mit ihren klassischen Fassadenordnungen und kantigen Dacherkern. Dass er diesen Elementen zuletzt die postmoderne Verspieltheit zu nehmen wusste, verleiht dem Karlsruher Rechenzentrum seinen besonderen baukünstlerischen Charakter.
Vier Etagen plus zwei Dachgeschosse – und immer wieder werden die Ebenen aufgebrochen und zusammengefasst (Bild: Karin Berkemann, 2021)
Text: Karin Berkemann, Frankfurt am Main, September 2022
Rechenzentrum der Landeskreditbank, in: Kieser, Clemens u. a. (Bearb.), Kulturdenkmale in Karlsruhe von 1950 bis 2000 – heute und morgen. Ein Ausstellungsprojekt des Architekturschaufensters und des Landesamts für Denkmalpflege, Karlsruhe o. J., S. 10.
Leydecker, Karin, Immer noch streitbar. Heinz Mohl zum 85. Geburtstag, in: Baunetz, 18. März 2016.
Kabierske, Gerhard, Die „Fondation Heinz Mohl“ im SAAI, in: Notizen aus dem Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Ingenieurbau an der Universität Karlsruhe, 7, Dezember 1989, S. 1–12.
Mohl, Heinz/Werner, Frank (Bearb.), Buildings and Projects. Bauten und Projekte, Stuttgart 1994.
Alle Bilder: Bild: Karin Berkemann, 2021. Zu Bildrechten nach Creative Commons informieren Sie sich bitte online über die entsprechenden Bestimmungen.