Bonn, Maritim, KSZE-Folgekonferenz, Beflaggung sowie Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, 19. März 1990 (Fotos: Ulrich Weichert und Engelbert Reinke; Bilder: Bundesarchiv Bilder B 145 Bild-F083868-0002 und -F083855-0012; CC BY SA 3.0)
BAU: Maritim (Hotel- und Kongresszentrum)
ADRESSE: Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 1, 53175 Bonn-Bad Godesberg
BAUZEIT: 1989–1990
MITWIRKENDE: Hentrich, Petschnigg und Partner (Architektur, Außenbau); Maritim Hotelbaugruppe (Innenausbau, Günther Schnatsmeyer, mit Atelier Guenter Trautner)
Es war nicht die Zeit für Bedenkenträgerei, als in Bonn zum Jahreswechsel 1989/90 das Maritim zum ersten Mal mit Leben gefüllt wurde. Für das Hotel- und Kongresszentrum hatte man in nur zehn Monaten 100 Millionen Deutsche Mark verbaut, davon 13,5 Millionen aus öffentlichen Töpfen. Mit der Erweiterung des Regierungsviertels wollte die damalige Bundeshauptstadt endlich wieder international mithalten. Entsprechend zeigte sich hier der neue Veranstaltungsort für Events und Konferenzen nach außen repräsentativ und überbordend nach innen. In diesem beeindruckenden Rahmen trafen sich im März 1990 die 35 Unterzeichnerstaaten der Schlussakte von Helsinki über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) zu ihrem ersten Wirtschaftskongress.
Bonn, Maritim, Nordostfassade zum Robert-Schumann-Platz (Bild: Wolkenkratzer, CC BY SA 3.0, 2014)
Anspruchsvoll
Mitte der 1970er Jahre verdichtete sich in Bonn die Erkenntnis, dass man auf dem internationalen Parkett architektonisch langsam nicht mehr bestehen konnte. Daher unternahmen der Bund, die Stadt und das Land Nordrhein-Westfalen ab 1978 gemeinsam konkrete Schritte, um die vorhandene Infrastruktur der Nachkriegszeit zu ersetzen oder zu ergänzen. In Bad Godesberg wurde das Regierungsviertel dafür entlang der Bundesstraße 9 (B 9) erweitert. Neben Neubauten für die Ministerien sollte auch ein größeres Hotel- und Kongresszentrum entstehen. Der vorgesehene Standort bildete allerdings ein anspruchsvolles Unterfangen: Im Nordosten grenzte die Rheinaue an, parallel dazu gab die Godesberger Allee (B 9) die Fahrt- und Blickrichtung vor. Nicht zuletzt durchzog die Rampe der Stadtbahn das Areal und musste überbaut werden.
Ab 1985 stieg die Kommune in konkrete Verhandlungen ein – zunächst mit der Maritim-Hotelkette, dann mit dem Hilton-Konzern. Dieser wiederum wollte ein Hochhaus errichteten und sperrte sich gegen die städtebauliche Vorgabe, einen Riegel parallel zur B 9 zu verwirklichen. Vor diesem Hintergrund erhielt doch Maritim den Zuschlag – mit einer weiteren Auflage: Für die Fassade wurde das Düsseldorfer Büro Hentrich, Petschnigg und Partner zugezogen, das Innenleben verblieb bei der Maritim Hotelbaugruppe. 1988 erwarb die Stadt das Grundstück vom Bund, im März 1989 starteten die Bauarbeiten und bereits am 17. Januar 1990 konnte die offizielle Einweihung begangen werden.
Bonn, Maritim, Baustelle, 1. August 1989 (Bilder: Berlin-Brandenburgisches Wirtschaftsarchiv e. V., Philipp-Holzmann-Bildarchiv, U5/03/55774, CC BY NC SA 4.0)
HPP
Entlang der B 9 erstreckt sich der siebenstöckige Riegel, dem nach Nordwesten flachgedeckte, ein- und zweistöckige Bauten auf fächerförmigem Grundriss angegliedert sind. Dem Stahlbetonskelettbau ist eine kleinteilige Rasterfassade vorgeblendet, in deren polierten Natursteinplatten feine Rillen die Horizontale betonen. Darüber und dahinter wird immer wieder eine zweite Struktur sichtbar gemacht: verspiegelte Gläser, gehalten von einem tiefblau gefassten Stahlraster. Mittig gibt ein gläserner, oben schräg ‚abgeschnittener‘ Zylinder die Haupterschließung der Anlage vor. Durch den Schienenstrang der Stadtbahn konnte das Maritim zur Godesberger Allee (B 9) nur einen durchgrünten Parkplatz und einen kleinen geschützten Vorplatz mit kreisrundem Springbrunnen ausbilden. Die Hauptfassade hingegen weist nach Nordosten, zur Kurt-Georg-Kiesinger-Allee. Hier wird die Vorfahrt (und Zufahrt zur Tiefgarage) als großes Rondell geführt und eine Sichtachse nach Nordosten zum Robert-Schumann-Platz hin geebnet.
HPP stand in Bonn vor der Aufgabe, ein großes Raumvolumen zusammenzubinden: 410 Zimmern, 41 Suiten und Tagungsräumen für bis zu 5.000 Menschen. Bereits 1933 hatte der Architekt Helmut Hentrich (1905–2001) ein eigenes Büro begründet, dem 1935 sein Berufskollege Hans Heuser beitrat (1904–1953). Nach dessen Tod trat der namensgebende Hubert Petschnigg (1913–1997) ein, dem sich weitere Partner anschließen sollten. Im Wiederaufbau von Düsseldorf geriet das Dreischeibenhaus für HPP 1960 zum modernistischen Aushängeschild, dem zahlreiche nationale und internationale Großprojekte folgen sollten. Beim Bonner Maritim musste das Büro eine Balance aus den städtebaulichen Wünschen der Kommune und den gestalterischen Bedürfnissen der Hotelgruppe bilden. Teils wird der dunkelblauen Farbe im Stahlraster auf den Firmennamen hin gedeutet, wobei etwa beim zeitgleichen Maritim am Kölner Heumarkt (1989, Gottfried Böhm) Rot zum Einsatz kam. Auch die Kombination aus polierten Natursteinplatten und einem Glasraster für einen städtebaulich markanten Hotelbau findet sich im postmodernen Köln: beim Hyatt Regency (1988, Novotny Mähner & Assoziierte) am Deutzer Rheinufer. Weitere Parallelen ließen sich in der äußeren wie inneren Anmutung etwa am Martitim-Hotel Hannover Airport (1993, Reinhardt und Sander) finden.
Bonn, Maritim, Flure im Erdgeschoss (rechts) und im ersten Obergeschoss (links) (Bilder: Karin Berkemann, 2023)
Glas und Glimmer
In den Innenräumen begegnet in Bonn die deutliche Handschrift der Maritim Hotelbaugruppe, die seit der letzten Sanierung von 2017 bis 2019 vor allem in den Gemeinschaftsbereichen im Erdgeschoss erhalten ist – vom Saal Maritim (Congress-Saal) über den kleineren Saal Beethoven bis zu den unterschiedlichen Raumzonen für Gastronomie, Ladengeschäfte und Wellness. Hier standen die Zeichen 1989/90 auf maximale Prachtentfaltung. Dabei spielt der Umgang mit Glas und Licht eine entscheidende Rolle. Der zentrale Zylinder wird über den Panoramaaufzug erschlossen, der den Blick in die Umgebung und ins Hotelfoyer freigibt. Polierte Natursteinflächen sowie verspiegelte Elemente in Gold- und Messingoptik verleihen den Gemeinschaftsräumen das erwünschte Flair. Nicht zuletzt die Leuchten – von der Tischlampe auf antikischen Säulen bis zur kronleuchterhaften Deckeninstallation – unterstreichen diese glamouröse Atmosphäre.
Im Foyer und in den großen Tagungsräumen findet sich ein an barocke und klassizistische Schlösser erinnerndes Dekorkonzept: Im Congress-Saal beispielsweise wetteifern Muster und Flächen in Blattgolde und pastelltonigen Kaseinfarben um die Aufmerksamkeit der Besucher:innen. In den Gemeinschaftszonen des Erdgeschosses sorgen Inkrustationen am Fußboden und teils in den Deckenfeldern für wertige traditionelle Akzente. Aber auch dunkle Holzeinbauten für Schaufenster oder Pavillons untergliedern die offenen Flächen gekonnt, um die Gäste in die Wiener Caféhäuser und in die Pariser Ladenpassagen der Jahrhundertwende zurückzuversetzen. Dieser Stilmix, die schwere handwerkliche Ästhetik, die Prachtentfaltung über Leuchten und polierte Flächen, die feinen Übergänge der Farbfassungen finden sich ebenso in zeitgleichen Maritim-Häusern wie am Kölner Heumarkt oder in Hannover am Flughafen. Darüber hinaus ist mit einem genauen Blick der Hoteliers auf den Geschmack der angepeilten internationalen Zielgruppe zu rechnen, wie er sich ähnlich etwa schon in den Planungen zum Weimarer Interhotel zur späten DDR-Zeit ablesen lässt.
Bonn, Maritim, Panoramaaufzug im zentralen gläsernen Zylinder, 1. September 1990 (Bilder: Berlin-Brandenburgisches Wirtschaftsarchiv e. V., Philipp-Holzmann-Bildarchiv, U5/03/56549, CC BY NC SA 4.0)
Pomo im Herzen
Als internationaler Anziehungs- und Begegnungspunkt geplant, markiert das Maritim deutlich die Abkehr vom bürgerlichen Understatement der Adenauer-Zeit und von der klar konturierten Moderne einer Republik unter Willy Brandt und Helmut Schmidt. Stattdessen mischte man nun die plüschige Postmoderne der Kohl-Ära mit der opulenten Ästhetik der Dallas- und Denverfolgen. Schon wenige Jahre nach seiner Einweihung wurde das neue Hotel- und Kongresszentrum selbst von den politischen Entwicklungen überholt – mit der Wiedervereinigung verlagerten sich die Regierungsgeschäfte und internationalen Zusammenkünfte nach Berlin, das um 2000 rund um das Kanzleramt seine eigene Form der Spät- und Postmoderne entwickeln sollte.
Text: Karin Berkemann, Dezember 2023
Bonn, Maritim, Congress-Saal (Bild: Benkamorvan, CC BY SA 2.0, via flickr, 2005)
Bonn, Maritim, Leuchten (Bilder: Karin Berkemann, 2023)
Bonn, Maritim, die Stadtbahn unterquert den Hotelbau bis zur unterirdischen Haltestelle „Robert-Schumann-Platz“ (Bild: Qualle, CC BY SA 3.0 oder GFDL, 2005)
Bonn, Maritim, Fassade zum Robert-Schumann-Platz (Bild: Karin Berkemann, 2023)
Bonn, Maritim, Eingang zum Beethovensaal (Bild: Karin Berkemann, 2023)
Bonn, Maritim, Blick aus dem gläsernen Zylinder (Bild: Karin Berkemann, 2023)
Bonn, Maritim, Erdgeschoss (Bild: Karin Berkemann, 2023)
Bonn, Maritim, Erdgeschoss (Bild: Karin Berkemann, 2023)
Bonn, Maritim, Erdgeschoss (Bild: Karin Berkemann, 2023)
Bonn, Maritim, Erdgeschoss (Bilder: Karin Berkemann, 2023)
Scholten, Matthias, Maritim, Bonn, auf: Postmodernes Bonn: Stadterkundung, 2023 (Architekturtipps anlässlich der Postmoderne-Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle).
Busmann, Friedrich, Vom Parlaments- und Regierungsviertel zum Bundesviertel. Eine Bonner Entwicklungsmaßnahme. 1974–2004, hg. von der Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn, Bonn 2004.
Denk, Andreas/Flagge, Ingeborg, Architekturführer Bonn, Berlin 1997.
Feldmeyer, Gerhard (Hg.), HPP. Hentrich-Petschnigg & Partner: Buildings and Projects 1988–1998, New York 1997.
Adams, Hans-Bernhard (Bearb.), Architekturzeichnungen HPP 1978–1988. Zeichnungen aus der Sammlung HPP Hentrich-Petschnigg & Partner Architekten, München 1989.
Bauzeitliche Aufnahmen des Innenausbaus.
Online-Auftritt des Maritim-Hotels Bonn.
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