ORTE: 1) Frankfurt am Main, Niddaaue, BUGA-Gelände 1989, 2) Dortmund, Westfalenpark, BUGA-Gelände 1991, 3) Stuttgart, „Grünes U“ (Killesberg, Wartberg, Leibfriedscher Garten, Rosensteinpark u. a.), BUGA-Gelände 1993, 4) Cottbus, Spreeauenpark, BUGA-Gelände 1995, 5) Gelsenkirchen, Nordsternpark, BUGA-Gelände 1997, 6) Magdeburg, Elbauenpark, BUGA-Gelände 1999
ADRESSEN: 1) L 3004, 60488 Frankfurt am Main, 2) An der Buschmühle 3, 44139 Dortmund, 3) verteilt über das Stadtgebiet, Stuttgart, 4) Vorparkstraße 3, 03042 Cottbus, 5) Am Bugapark 1, 45886 Gelsenkirchen, 6) Herrenkrugstraße, 39114 Magdeburg
BUGA-JAHRE: 1) 1989, 2) 1991, 3) 1993, 4) 1995, 5) 1997, 6) 1999
Mitte der 1990er Jahre übersprang die 1951 begründete Bundesgartenschau (BUGA) gleich mehrere Grenzen: von West- nach Ostdeutschland, von der „grünen Renovierung“ zur urbanen Konversionsfläche. Um das wachsende planerische und ökonomische Volumen der Ausstellungen zu bewältigen, professionalisierte man sich und gründete 1993 die Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft mbH. Erste Anzeichen dieses Umbruchs lassen sich bereits 1989 ausmachen, als die BUGA in Frankfurt noch vor der Eröffnung von Streitigkeiten überschattet wurde. Den einen war das Konzept der Mainmetropole nicht publikumswirksam genug, andere sahen die gewachsene Artenvielfalt der Niddaauen bedroht. Hinzu kamen Finanzfragen und viel Lokalpolitik. Nach dem Ende der Ausstellungszeit wurden die meisten gärtnerischen Anlagen im Stil der Postmoderne rasch von Hobbygärtner:innen geklaut und von der Stadt verkauft oder zurückgebaut.
In Frankfurt – hier ein Blick in die Niddaauen – zeigte sich die BUGA 1989 noch im postmodernen Gewand (Bild: Norfried Pohl, CC BY SA 4.0, 1989)
Brückenschlag
Wo die Planer:innen in Frankfurt etwas unsicher auf dem Grat zwischen blumenbunter Leistungsschau und ökologisch Gutgemeintem balancierten, glückte der Internationalen Gartenschau (IGA) 93 in Stuttgart, die zugleich als BUGA 93 galt, der elegante Brückenschlag. Schon topografisch war man in der von Hügeln umgebenen Stadt gezwungen, die unterschiedlichen Ausstellungsorte gut miteinander zu verbinden. Über Fußgänger:innenbrücken erlaufen sich Bürger:innen und Gäste so das „Grüne U“. Seit 1993 vernetzt es die Errungenschaften von insgesamt sieben lokalen Gartenschauen – vom Neuen Schloss bis hinauf zum Killesberg – zu einem landschaftsplanerischen Ganzen.
Parallel zur IGA gab es im Norden Stuttgarts unter dem Motto „Wohnen 2000“ eine kleine Bauausstellung zu besichtigen, die sich den Themen Ökologie und erneuerbare Energien verschrieben hatte. Die Planungen starteten 1988, die Umsetzung der kleinen Modellsiedlung erstreckte sich von 1991 bis 1993. Zu den internationalen Entwürfen zählen beispielsweise die fast kreisförmigen Reihenhäuser der Grazer Architekten Szyskowitz-Kowalski (Karla Kowalski, Michael Szyszkowitz), die Familienhäuser unter dem Rundbogen vom französischen Duo Jourda & Perraudain (Françoise-Hélène Jourda, Gilles Perraudin), das Glashaus mit Solarmodulen des Kasseler Büros HHS (Manfred Hegger) oder die drei Wohntürme des Delfter Teams Mecanoo (Chris de Weijer, Erick van Egeraat, Henk Döll, Francine Houben, Francine Houben).
Zur IGA 93 wagte man in Stuttgart nicht nur gärtnerisch Neues, sondern unternahm mit dem Projekt „Wohnen 2000“ auch architektonische Experimente – links die fast kreisförmigen Reihenhäuser der Grazer Architekten Szyskowitz-Kowalski, rechts die Rundbogen-Häuser des französischen Duos Jourda & Perraudain (Bild: Pjt56, CC BY SA 4.0, 2018)
Konversion
Zur Beliebtheit der Gartenschau – und damit letztlich auch zum ökonomischen Erfolg – trugen im Ruhrgebiet vor allem die Bauwerke bei. In Dortmund wurde der Westfalenpark, der die BUGA schon 1959 und 1969 zu Gast hatte, mit seinen Grünanlagen und Kleinarchitekturen 1991 neu interpretiert. Nicht umsonst zierte der Florianturm von 1959, nun mit neuer Gastronomie, das Logo der BUGA 91. Bei den Grünanlagen verwandelte man breite Wege in schmale Pfade, um das scheinbar Bekannte neu erfahrbar zu machen. Zusätzlich wurde das didaktische Angebot ausgeweitet, indem Einrichtungen wie das Naturschutzhaus für den ökologischen Gedanken warben.
In Gelsenkirchen setzten die Planer:innen 1997 vor allem auf den Faktor Zeit – und förderten großzügig vor Ort aufkeimende Initiativen. Die ehemaligen Arbeitsstätten der Schwerindustrie gaben nach Jahren des Stillstands langsam ein teils trauriges, teils romantisch verwildertes Bild ab. Im sogenannten Nordsternpark wurden daher ausgewählte Industriezeugnisse renoviert und inszeniert, um landschaftsgärtnerische Anlagen und Kunstwerke ergänzt. In einige der überkommenen Bauten zogen mit den Kulturschaffenden, mit den Taucher:innen und Kletter:innen sogar neue Nutzungen ein. Doch besonders nachhaltig wirkte die BUGA in Gelsenkirchen als Strukturförderprogramm, das neue Wissenschafts- und Wirtschaftszweige anzusiedeln half.
In den 1990er Jahren setzte man im Ruhrgebiet bei der Konversion von ehemaligen Industrieflächen auf Landschaftsparks – etwa 1997 in Gelsenkirchen beim BUGA-Gelände Nordsternpark (Bild: PD)
Merkzeichen
Wo in Cottbus – 1995 die erste ostdeutsche BUGA – noch der Umgang mit dem Bestand vorherrschend war, zeigte man in Magdeburg 1999 gerne gärtnerische und architektonische Neuschöpfungen. Auf einem ehemaligen sowjetischen Militärgelände wurde mit dem Jahrtausendturm ein 60 Meter hoher, schneeweißer, leicht aus der Achse gerückter Kegel ins Grün des Elbauenparks gesetzt. Im Inneren zeigt die mit einer lichtdurchlässigen Folie überspannte Holzleimbinder-Konstruktion offen ihr Material und bietet Raum für eine Mitmach-Ausstellung. Zum Thema wählte man selbstbewusst die Entwicklung der Menschheit von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Dabei reichen die Attraktionen in der Kuppelhalle und auf weiteren Ebenen vom Foucaultschen Pendel bis zum Fernrohr, mit dem sich die Uhrzeit vom Magdeburger Dom ablesen lässt.
Der Entwurf für den Jahrtausendturm stammt vom schweizerischen Künstler Johannes Peter Staub (* 1936). Bereits 1981 hatte sich der Maler und Bildhauer auch den Ausstellungsarchitekturen zugewandt, für die er vor allem natürliche Materialien wählte. Dazu zählen etwa der Galileiturm (1991) in Zürich oder die Doppelbogen-Bambusbrücke Phänomena in Bietigheim (1989). In Magdeburg bietet eine „Promenaden-Rampe“, die sich um den Jahrtausendturm windet, zusätzlich einen weiten Blick auf Park und Stadt. Was eigentlich nach dem Ende der BUGA-Zeit wieder abgebaut werden sollte, blieb den Magdeburger:innen bis heute erhalten und wird neben der ständigen Ausstellung auch mit wechselnden Präsentationen bespielt. Von hier können abenteuerlustige Gäste den „ElbauenZip“ starten und mit einer Seilrutsche über das Gelände gleiten.
Der Magdeburg Jahrtausendturm – nach außen ein zeltähnlicher Kegel, im Inneren eine sichtbar belassene Holzkonstruktion – entstand zur BUGA 99 (Bild: Diwan, CC BY 2.0, 2010)
Nachwuchs
Auch für Frankfurt nahm die BUGA 89 doch noch ein versöhnliches Ende. Zwar standen den Kosten von 220 Millionen DM nur Einnahmen von 20 Millionen DM gegenüber, die nicht einmal die Tilgungszinsen der Kredite decken konnten, doch im Umfeld der Gartenschau entstand eine für die Mainmetropole bis heute prägende Idee: Der Grüngürtel verband vorhandene und zu schaffende Flächen zu einem zusammenhängenden Erholungsraum. Aus der Neuen Frankfurter Schule, die schon für die BUGA-Plakate kreativ gewirkt hatte, kam der zugehörige Sympathieträger. Kein Geringerer als der Dichter und Zeichner Robert Gernhardt entwarf das „GrünGürtel-Tier“, das sich bis heute auf Schildern und Broschüren, als Bronzeplastik und Steiff-Plüschtier großer Beliebtheit erfreut. Mit dem Caricatura-Museum schmückt die Stadt den Grüngürtel zudem mit „Komischer Kunst“ von Grafikern wie Gernhardt, Hans Traxler, Chlodwig Poth, F. W. Bernstein und Bernd Pfarr.
Text: Karin Berkemann, November 2022
In der Folge der BUGA 89 legte man in den 1990er Jahren einen Grüngürtel um Frankfurt – in den 2000er Jahren angereichert durch „Komische Kunst“ wie 2005 mit dem Struwwelpeter-Baum von F. K. Waechter (Bild: Frank Behnsen, GFDL oder CC BY SA 3.0, 2011)
Der Zur IGA 93 spannte das Büro „schlaich, bergermann und partner“ gleich mehrere elegante Fußgänger:innenbrücken zwischen den Stuttgarter Hügeln auf – etwa den Lodzer Steg (Seilnetzsteg am Löwentor) zwischen dem Rosensteinpark und dem Leibfriedschen Garten (Bild: Pjt56, CC BY SA 4.0, 2015)
Titelmotiv: Magdeburg, Jahrtausendturm (Bild: Kreuz und quer durch Deutschland, CC BY SA 4.0, 2015). Der Bildnachweis für die Galerie erscheint beim Kick auf das jeweilige Foto. Zu Bildrechten nach Creative Commons informieren Sie sich bitte online über die entsprechenden Bestimmungen.
50 Jahre Bundesgartenschauen. Festschrift zur Geschichte der Bundes- und Internationalen Gartenschauen in Deutschland, hg. von der Deutsche Bundesgartenschau GmbH, Bonn 2001
Platen, Heide, Goethes Rotweinnase hat ausgedient, in: taz, 2. November 1989
Haussgruppe IGA 93: le nouveau Weissenhof?, auf: voirenvrai
IGA93, auf: Wohnorte2
Experimenteller Wohnbau IGA ’93, auf: szy-kow.com
Online-Auftritt der Bundesgartenschau-Gesellschaft mit einer Übersicht über die bisherigen Bundesgartenschauen
Online-Auftritt des Künstlers Johann Peter Staub